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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Entwicklung eines webbasierten Prototyps für die leitliniengerechte Entscheidungsunterstützung beim primären Mammakarzinom – Wie können Therapieempfehlungen und deren Begründungen optimal dokumentiert werden?

Meeting Abstract

  • Dennis Andrzejewski - Fachhochschule Brandenburg, Deutschland
  • Peter Jentsch - Fachhochschule Brandenburg, Deutschland
  • Anna Maria Markus - Fachhochschule Brandenburg, Deutschland
  • Nicole Haeusler - Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH, Deutschland
  • Laura Tetzlaff - Fachhochschule Brandenburg, Deutschland
  • Eberhard Beck - Fachhochschule Brandenburg, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 100

doi: 10.3205/15gmds070, urn:nbn:de:0183-15gmds0704

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Andrzejewski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die interdisziplinäre S3 Leitlinie wurde nach Wöckel et al. [1] entwickelt und implementiert um die Versorgung des Mammakarzinoms zu optimieren. Um den vermuteten Zusammenhang einer leitlinienkonformen Therapie mit patientenrelevanten Endpunkten wie beispielsweise dem Überleben zu untersuchen, analysierten Wolters et. al. [2] die Daten von 3976 Patientinnen. Nur 2063 (51,9%) dieser Patientinnen wurden leitlinienkonform behandelt, wobei diese ein längeres Rezidiv-freies wie auch ein höheres Gesamtüberleben gegenüber den nicht leitlinienkonform Behandelten aufwiesen [2]. Zwar konnten die jeweiligen Abweichungen von der leitliniengerechten Behandlung retrospektiv erkannt werden, eine Begründung für das abweichende Verhalten war jedoch nicht dokumentiert. Aus diesem Grund lag die Entwickelung einer prototypischen Lösung zur Dokumentation der ärztlichen Entscheidung naheliegend.

Material und Methoden: Brustkrebs ist nach [3] die in Deutschland bei Frauen am häufigsten auftretende Krebserkrankung. Entscheidungen hinsichtlich der systemischen adjuvanten Therapie werden auf der Basis tumorbezogener und patientenbezogener Parameter getroffen [4]. Die systematische Kombination der verschiedenen Parameter bildet die Entscheidungsgrundlage für die ärztlichen Entscheidungen. Diese Entscheidungsregeln wurden auf der Basis der S3 Leitlinie analysiert und definiert, sowie durch strukturierte Experteninterviews überprüft [4]. Die gewonnene Regelbasis wurde in den Programmcode des Prototyps fest einprogrammiert. Für das Frontend des Prototyps wurde PHP verwendet um die Webseite dynamisch zu gestalten. Der PHP Code wurde in HTML Code eingebaut. Das Backend wurde mit XAMPP und MySQL umgesetzt. Die JavaScript-Bibliothek jQuery und CSS wurden verwendet um die Webseite auf die gewünschte Weise zu präsentieren. Die eingegebenen bzw. ausgewählten Parameter werden in der MySQL Datenbank abgespeichert. Die Eingaben erfolgen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Nutzer noch per Hand bzw. werden per Drop- down Menü aus einer Liste ausgewählt.

Ergebnisse: Der Prototyp erlaubt aktuell den Zugang für registrierte Nutzer, indem sie sich einloggen. Der angemeldete Benutzer kann die Patientendaten, einen Therapievorschlag und die Begründung für seine Therapieentscheidung eingeben. Die Eingabe der Patientendaten erfolgt nicht per Eingabe, sondern wurde durch ein Dropdown Menü realisiert. Nur die Eingaben für die Begründung des Arztes, die Patienten ID und den Nottingham Prognose Index erfolgen über ein Textfeld. In der ersten von drei Kategorien werden patientenbezogenen Parameter erfasst, bestehend aus:

  • Patienten ID,
  • Alter (Geburtsjahr),
  • Menopausenstatus (prämenopausal oder postmenopausal) und
  • ECOG Status (Grad 0 bis Grad 5 – um den Allgemeinzustand der Patientin zu erfassen)

Die zweite Kategorie erfasst tumorbezogenen Parameter, bestehend aus:

  • T- Klassifikation,
  • N-Klassifikation,
  • Hormonrezeptorstatus (positiv oder negativ)
  • HER2/neu Status (positiv oder negativ)
  • und Grading (G1, G2 oder G3). Zusätzlich können bei einem Grading von G2 Untersuchungen dokumentiert werden wie uPA/PAI1 oder Ki67 (hoch oder niedrig), optional kann der Nottingham-Prognose-Index angegeben werden

Die dritte und letzte Kategorie beinhaltet:

  • Therapieauswahl (Chemotherapie, Chemo- und Antikörpertherapie, Chemo-, Antikörper- und Antihormonelle Therapie, Chemo- und Antihormonelle Therapie und Antihormonelle Therapie)
  • Begründung für die Therapie, welche über ein Textfeld eingegeben werden kann.

Nachdem der Benutzer die Eingaben abgeschlossen hat, werden die Daten in die Datenbank geschrieben.

Diskussion: Die Dokumentation tumorbezogener Parameter erfolgt gemeinhin noch sehr heterogen: zum Teil erfolgt die Dokumentation elektronisch und in strukturierter Form, häufig jedoch als unstrukturiertes .pdf-Dokument. Patientenbezogene Parametern finden sich überwiegend in der Verlaufsdokumentation, vorwiegend in Papierform. Eine Bereitstellung aller entscheidungsrelevanten Daten in einem einheitlichen Format ist zurzeit nicht ohne weiteres möglich. Die Inhomogenität der Datenquellen wird noch verstärkt durch die häufig mangelnde Interoperabilität verschiedener Dokumentationssysteme. Vordergründiges Ziel der gegenwärtigen Arbeit war es daher zunächst einen Beitrag zur Verbesserung der Dokumentation, insbesondere im Hinblick auf die Begründung von Therapieentscheidungen bzw. des Abweichens von leitlinien- konformen Entscheidungen zu leisten. Der transparenten Dokumentation von Abweichungen kommt durch damit verbundene gravierende Verschlechterung der Prognose der Betroffenen [2] eine besondere Bedeutung zu. In einem nächsten Schritt sollen dann die aus der S3- Leitlinien und den Experteninterviews abgeleiteten und auf der Basis retrospektiver Daten validierten Entscheidungsregeln prospektiv überprüft werden. Für die weitere Entwicklung ist die Auslagerung der Entscheidungsregeln in Rule Engines zur Optimierung des Prozesses der Tumorkonferenz zu vereinfachten Wartbarkeit der Regeln [5], [6] geplant. Der aktuelle Prototyp errechnet bereits einen Therapievorschlag, welcher jedoch dem Nutzer nicht angezeigt wird. Ein Abgleich zwischen tatsächlich getroffener Entscheidung und prototypischer Entscheidung ist bereits einsetzbar. Dieser Prototyp wurde primär entwickelt um erste Hinweise auf dessen generelle Akzeptanz durch die Ärzteschaft zu gewinnen sowie den Ärzten Gelegenheit zu geben sich an der weiteren Entwicklung von Nutzerseite her zu beteiligen. Die weiteren Entwicklungen müssen dann allerdings die Grundsätze und Anforderungen des Medizinproduktegesetzes berücksichtigen.


Literatur

1.
Wöckel A, Kurzfurt C, Varga D, Wischnewsky MB, Kreienberg R. BRENDA: Breast Cancer Care under evidence-based Guidelines. Ein Projekt aus der Vorschungsforschung. Senologie. 2010;7:A194.
2.
Wolters R, Wöckel A, Wischnewsky M, Kreienberg R. Auswirkungen leitlinienkonformer Therapie auf das Überleben von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom – Ergbnisse einer retrospektiven Kohortenstudie. Z Evid Fortbild Gesundhwesen (ZEFQ).2011;105:468-475.
3.
Kreienberg R, et al. Interdisziplinäre S3 Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. 3. Aktualisierung. 2012.
4.
Andrzejewski D, Beck E, Tetzlaff L, DeBoer J, Haeusler N. The transparent representation of medical decision structures based on the example of breast cancer treatment. Conference Paper BIOSTEC; 2015; Lissabon.
5.
Fehre K, Adlassnig KP. Rule-Engine-Technologie als Innovationspotential für Telemedizin. telemed. 2010.
6.
Sedlmayr M, Rose T, Röhring R, Meister M, Backofen AM. Formalisierung und Automatisierung von SOPs in der Intensivmedizin. Wirtschaftsinformatik Processings. 2007.
7.
Themayer K. PHP Einsteigerkurs: Grundlagen der PHP/MySQL Programmierung in 5 Tagen verstehen. 2012.
8.
Gull C, Münz S. HTML 5 Handbuch. 9. Auflage. Franzis Verlag; 2013.
9.
Spreckelsen C, Spitzer K. Wissensbasen und Expertensysteme in der Medizin – KI-Ansätze zwischen klinischer Entscheidungsunterstützung und medizinischem Wissensmanagement. 2008.