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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Konzeption und Aufbau einer Laborumgebung für die Medizinische Informatik (MI-Lab)

Meeting Abstract

  • Sebastian Stäubert - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland; Zentrum für Klinische Studien, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Matthias Löbe - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland; Zentrum für Klinische Studien, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Franziska Jahn - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Michael Schaaf - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Alfred Winter - Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 288

doi: 10.3205/15gmds064, urn:nbn:de:0183-15gmds0645

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Stäubert et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: An der Universität Leipzig wird die Studienrichtung Medizinische Informatik als Schwerpunkt im Studiengang Informatik in Kooperation von Medizinischer Fakultät und der Fakultät für Mathematik und Informatik angeboten. Den Studierenden wird in diesem interdisziplinären Lehrangebot Wissen vermittelt, um Anwendungen in der Medizin optimal mit Methoden der Informatik zu unterstützen. Während die theoretischen Konzepte in Vorlesungen und Seminaren angemessen vermittelt werden können, ist die Vertiefung und Anwendung durch Praktika und Übungen nur teilweise gegeben. Zwar existieren Lehrveranstaltungen zur Analyse von Prozessen und Informationssystemen in den verschiedenen Universitätskliniken, jedoch fehlt es an einer Laborumgebung, die Aspekte der Informationsverarbeitung im Krankenhaus für die Studierenden am konkreten Beispiel erfahrbar macht und in welcher sie aktiv agieren können.

Im Rahmen eines Projekts soll eine dedizierte Krankenhaus-IT-Landschaft aufgebaut werden, um die generelle Funktionsweise und speziell aktuelle Probleme in der Medizinischen Versorgung und Forschung aufzuzeigen. Mit Hilfe einer Lehr- und Versuchsumgebung (MI-Lab) sollen gemeinsame Musterlösungen in studentischen Projekten entworfen, analysiert und bewertet werden. Das MI-Lab unterstützt zudem das forschende Lernen, da Studierende selbständig relevante Problemfelder für die Integration im Gesundheitswesen identifizieren, erproben und somit praxisnahe Problemstellungen eigenständig lösen.

Problemstellung: Zeitgemäße medizinische Forschung und Versorgung ist ohne den Einsatz von Informationstechnologie schwer vorstellbar. Die Medizinische Informatik sieht sich als Brücke einerseits zwischen Ärzten und klinischen Forschern, die Informationstechnologie anwenden (ohne dass diese einen signifikanten Umfang in ihrem Studiencurriculum darstellen würde) und andererseits Informatikern, welche Informationssysteme konzipieren und implementieren.

Menschliche und maschinelle Handlungsträger formen ein Krankenhausinformationssystem (KIS). Der computergestützte Teil ist gekennzeichnet durch das komplexe Zusammenspiel einer Vielzahl von Anwendungssystemen (Patientenverwaltungssystem, Laborinformationssystem, Kommunikationsserver, usw.) und Datenarten (Verwaltungsdaten, klinische Daten, Labordaten, Bilddaten, Genomdaten), deren Umfang stark zunimmt (Big Data), wobei Systemgrenzen verwischen (Cloud-Technologien) und neue Ansätze (Individualisierte Medizin, Telemedizin) und Philosophien (Patient Empowerment, Soziale Netzwerke) zusätzliche Herausforderungen darstellen.

Software zur Vermittlung zwischen Diensten oder Anwendungen (Middleware) und die Verwendung von Kommunikationsstandards ermöglichen prinzipiell den Informationsaustausch – der praktische Einsatz ist jedoch oft eine Herausforderung. Sich ändernde Anforderungen sorgen für Dynamik bei der Kommunikation, z.B. wenn neue externe Anwendungssysteme angebunden werden müssen.

Die Nutzung der produktiv laufenden Systeme z.B. am Universitätsklinikum Leipzig zu Lehrzwecken ist nicht zuletzt aus Datenschutzgründen und den Kriterien für einen störungsfreien Routinebetrieb problematisch. In studentischer Eigenregie lassen sich die zum Einsatz kommenden Anwendungssysteme in der Realität nicht ausprobieren, da ihre Installation zu komplex ist, Beispieldatensätze fehlen und die Infrastruktur zu anderen Systemen nicht zur Verfügung steht.

Zielsetzung und Lernziele: Im Rahmen eines Projektes soll eine Lehr- und Versuchsumgebung (MI-Lab) aufgebaut werden. Ein modularer Aufbau soll zwei Anwendungsfälle aus der Domäne der Medizin abdecken:

1.
Patientenversorgung (inkl. Patientenadministration und Laborinformationssystem)
2.
Unterstützung der klinischen Forschung

Weitere Szenarien, wie die Kommunikation mit dem niedergelassenen Bereich und die Unterstützung der Versorgungsforschung/Public Health, werden dabei konzeptionell mit betrachtet, sodass sie im MI-Lab zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden können. Das MI-Lab wird auf virtuellen Maschinen unter Verwendung von frei verfügbaren Open-Source-Komponenten implementiert, welche funktional den Anwendungssystemen eines Universitätsklinikums entsprechen. Die Umsetzung und der Betrieb des MI-Lab kommen daher ohne zusätzliche Lizenz- oder Investitionskosten aus. Im Gegensatz zu deutlich aufwändigeren Laborumgebungen, wie z.B. dem "Living-Lab" der Berner Fachhochschule Technik und Informatik [1], ist das MI-Lab in der derzeitigen Planung darauf ausgerichtet, mit möglichst geringem Ressourcenaufwand die beschriebenen Szenarien beispielhaft umzusetzen und zentrale Prinzipien der Medizinischen Informatik zu veranschaulichen.

Passend dazu werden in der Projektlaufzeit (1 Jahr) entsprechende Übungen konzipiert, bei denen die Studierenden den Aufbau eines Krankenhausinformationssystems am Beispiel des MI-Lab interaktiv kennen lernen. Die Übungsaufgaben sollen praxisnahe Probleme aus Patientenversorgung und klinischer Forschung behandeln, in Gruppenarbeit auf das Lösen komplexer Probleme im Team vorbereiten und das Verständnis durch die Anwendung der theoretischen Konzepte aus der Vorlesung vertiefen. Mehrere mögliche Lösungsstrategien und die anschließende gemeinsame Auswertung fördern dabei das selbstgesteuerte kooperative Lernen.

Die Lernziele im Überblick:

  • Erlangen von praktischer Erfahrung im Umgang mit Informationssystemen im Krankenhaus unter Anwendung der theoretischen Konzepte der Lehrveranstaltungen
  • Erwerb von Kompetenzen im Bereich der praktischen Anwendung von Kommunikationsstandards (z.B. HL7), Implementierung von Schnittstellen zwischen typischen Anwendungssystemen in Krankenhäusern
  • Sensibilisierung für die komplexen, domainspezifischen Probleme aus dem medizinischen Umfeld
  • Entwicklung neuartiger technologischer Lösungen unter Verwendung der Laborumgebung (MI-Lab), welche danach sukzessive in den Routinebetrieb der Produktivumgebung übergehen
  • Interaktive Gruppenarbeit, Kommunikation mit Endanwendern (Medizinern) und technischen Betreuern

Das MI-Lab soll in Lehrveranstaltungen im Bachelor- und Masterstudiengang Informatik im Schwerpunkt Medizinische Informatik zum Einsatz kommen. Es bietet zudem perspektivisch das Potential für den Einsatz im Wahlfach Medizinische Informatik für Studierende der Humanmedizin. Die bisherige Vermittlung von Fakten und Konzeptwissen zu Kommunikationsstandards und Integrationslösungen im Gesundheitswesen wird nun um den Erwerb von Kompetenzen erweitert, die von Medizinischen Informatikern später direkt im Berufsleben in IT-Abteilungen angewendet werden können. Studierende der Humanmedizin eignen sich Hintergrundwissen zur Informationsverarbeitung in Krankenhäusern an, die sie für eine spätere Schnittstellenrolle zwischen IT-Abteilung und medizinischem Personal prädestinieren.

Lehrkonzept: Das in der Vorlesung vermittelte theoretische Konzept- und Faktenwissen wird um den Erwerb von Kompetenzen erweitert, d. h. es wird die Verbindung zwischen Theorie und Praxis hergestellt. Die Basis bilden dabei Konzepte wie das projektorientiertes Lernen, Teamorientierung, forschendes Lernen und interdisziplinäres Lernen. In der Laborumgebung sollen die Studierenden die Komplexität eines KIS kennenlernen sowie selbständig und in Gruppenarbeit erfahren. Die Aufgaben sind aufeinander abgestimmt und fügen sich zu einem Gesamtsystem zusammen. Beispielhaft beim Kommunikationsserver im Labor-Krankenhaus erarbeitet eine Gruppe die Anbindung an das Laborinformationssystem und eine andere Gruppe die Anbindung an das Patientenverwaltungssystem. Im Anschluss stellen beide Gruppen ihre Lösungen allen Teilnehmern vor und es wird untersucht, ob beide Lösungen in der Kombination funktionieren, d.h. eine Test-Nachricht vom Patientenverwaltungssystem über den Kommunikationsserver an das Laborinformationssystem erfolgreich übermittelt werden kann.

Das MI-Lab bettet sich in das Curriculum ein und Teile daraus können Gegenstand der mündlichen Prüfung sein, mit der die Studierenden die Studienrichtung Medizinische Informatik im Bachelor und Master Informatik abschließen.

Diskussion: Es ist geplant, das MI-Lab an zwei Zeitpunkten zu evaluieren. Die erste Evaluation erfolgt im Anschluss an die Konzeptionsphase durch einen kleinen Teilnehmerkreis, um die Machbarkeit (z.B. hinsichtlich der Komplexität und des Zeitrahmens der Übungsaufgaben) zu untersuchen. Nach Durchführung der Lehrveranstaltungen gibt es eine weitere Evaluation, die den Erfolg des Projektes untersucht.


Literatur

1.
Berner Fachhochschule Technik und Informatik. MedInf Labor. http://www.forschung.ti.bfh.ch/de/institute/institute_for_medical_informatics/medinf_labor.html (4 Jun 2015, date last accessed). Externer Link