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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Erweiterung des Bilddatenmanagementsystems XNAT zur Integration von multidimensionalen Biosignaldaten in der Schlafmedizin

Meeting Abstract

  • Dagmar Krefting - Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin, Deutschland
  • Maximilian Beier - Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Berlin, Deutschland
  • René Siewert - HTW Berln, Berlin, Deutschland
  • Thomas Penzel - Charite Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Andrea Rodenbeck - Charite, Berlin, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 254

doi: 10.3205/15gmds011, urn:nbn:de:0183-15gmds0112

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Krefting et al.
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Gliederung

Text

Einleitung:Die Langzeitaufnahme von multidimensionalen Biosignalen, die sogenannte Polysomnographie, stellt in der Schlafmedizin ein wichtiges Diagnosewerkzeug dar. Aus den Polysomnographien können zum einen die verschiedenen Schlafstadien bestimmt und damit die Struktur des Schlafes analysiert werden [1]. Zum anderen können anhand des Verlaufs der verschiedenen physiologischen Messwerte Wach-Schlaf-Störungen diagnostiert werden. Aufgrund der Vielfalt von über 80 schlafspezifischen Diagnosen und der hohen Komorbidität schlafspezifischer Krankheiten untereinander sowie zu psychischen, neurologischen und internistischen Erkrankungen sind üblicherweise multizentrische Studien notwendig, um geeignete Fallzahlen zu erreichen. Für spezielle Schlafstörungen existieren bereits bundes-, europa-, und weltweite Datenbanken, wie zum Beispiel das ESADA-Projekt für Schlaf-Apnoen [2]. Jedoch existiert noch kein krankheitsübergreifendes Register, zudem unterstützt keine der existierenden Datenbanken unserer Kenntnis nach bisher die Speicherung und Auswertung der Polysomnographien. Im Rahmen des Somnonetz-Projektes wurde deshalb ein Prototyp für ein biosignalbasiertes bundesweites schlafmedizinisches Patientenregister entwickelt.

Material und Methoden: Das entwickelte System besteht ausschließlich aus freien und quelloffenen Softwarekomponenten. Zur Archivierung und Verwaltung der Daten wird das Bilddatenmanagementsystem XNAT eingesetzt [2]. Ursprünglich für die neurowissenschaftliche bildbasierte Forschung entwickelt, erweitert es das klassische PACS um Funktionen für die standortübergreifende Forschung. Dazu gehört neben einer projektbasierten Datenverwaltung und einem feingranularen rollenbasierten Rechtemanagement auch eine sogenannte Pipeline-Engine, die eine automatisierte, schrittweise Ausführung von Prozessen erlaubt. Nativ wird neben Formulardaten nur das Bilddatenformat DICOM unterstützt, jedoch kann das System um beliebige Datenformate erweitert werden. XNAT bietet zum einen eine webbasierte Nutzeroberfläche, zum anderen verfügt es auch über eine gut dokumentierte REST-Schnittstelle.

Im Rahmen des Prototyps werden Polysomnographien, die im Standardformat EDF+ (European Data Format) vorliegen, unterstützt [3]. Anforderungen an das System waren, dass die Polysomnographien pseudonymisiert hochgeladen und archiviert werden, die Metadaten konsistent dargestellt werden, zumindest die technische Qualität der Polysomnographien automatisiert überprüft wird und der Signalverlauf visualisiert werden kann.

Wo möglich, wurden zur Umsetzung der Anforderungen die nativen Funktionen und Nutzeroberflächen des XNAT-Systems verwendet. Wo nötig, wurden eigene Komponenten entwickelt und lose mit dem XNAT-System gekoppelt. Signalverarbeitungsalgorithmen wurden in Matlab entwickelt und als kompilierte Stand-Alone-Anwendung in das System integriert.

Ergebnisse: Das prototypisch implementierte System ermöglicht den schlafmedizinischen Forscher_innen erstmals, Polysomnographien im EDF+-Format im Webbrowser pseudonymisiert in das XNAT-System hochzuladen. Dort werden die Metadaten ausgelesen, soweit möglich auf Standardbezeichnungen abgebildet, und in der XNAT-Oberfläche dargestellt. Der Signalverlauf kann ebenfalls über den Webbrowser dargestellt weren. Darüber hinaus wird eine automatisierte Qualitätsüberprüfung durchgeführt, bei der die Biosignale zum einen auf ihre technische Qualität, wie zum Beispiel eine ausreichende Samplingfrequenz geprüft werden. Zum anderen werden aber auch Signaleigenschaften wie das Wertehistogramm und die Frequenzanalyse ermittelt und dargestellt. Diese sollen perspektivisch zur automatisierten Bewertung der Signalqualität genutzt werden.

Zur Erreichung dieser Ziele wurden verschiedene schlafspezifische Datentypen definiert und aus existierenden abstrakten XNAT-Datentypen abgeleitet. Diese umfassen zum einen die Polysomnographien, aber auch Formularblätter für typische schlafmedizinische Befunde und Metadaten. Auch datentypspezifische Nutzeroberflächen wurden entwickelt. Diese Erweiterungen wurden zu einem XNAT-Modul zusammengefasst und können nun leicht in eine existierende XNAT-Instanz integriert werden.

Für den Upload und die Visualisierung der Polysomnographien wurden eigene Webanwendungen entwickelt, die lose mit XNAT gekoppelt sind. Der Upload erlaubt das Hochladen neuer Daten per Drag&Drop. Die Daten werden standardmäßig lokal im Browser pseudonymisiert, bevor sie ins XNAT übertragen werden. Die Zuordnung zwischen Patientenname und automatisch oder manuell erstelltem Pseudonym wird im Browser gespeichert und kann als PDF heruntergeladen werden.

Auch für die Visualisierung der Signalverläufe wurde eine eigener webbasierter EDF-Viewer entwickelt. Die einzelnen Biosignale werden gemeinsam dargestellt und können in verschiedenen Auflösungen angezeigt werden.

Für eine konsistente Darstellung und Verarbeitung der Daten werden diese in ein standardisiertes EDF-Format gebracht, bei dem die verschiedenen Biosignale in einer bestimmten Reihenfolge gespeichert und mit festgelegten Signalbezeichnungen versehen werden. Dieses wird zusätzlich zu den Rohdaten im XNAT gespeichert. Ebenso wie die automatisierte Qualitätsanalyse wird die Formatkonvertierung über den Pipeline-Mechanismus in das System integriert.

Das System ist bisher prototypisch im Einsatz. Insbesondere wurden bisher möglichst heterogene EDF-Daten aus verschiedenen Schlaflaboren hochgeladen, um die funktionalen und nichtfunktionalen Eigenschaften des Systems zu testen.

Diskussion: Mit der Erweiterung von XNAT durch neue Datentypen und Verarbeitungspipelines sowie die Kopplung an spezifische webbasierte Nutzeroberflächen konnte die Unterstützung von Polysomnographien für die standortunabhängige multizentrische Forschung realisiert werden. Eine besondere Herausforderung stellt jedoch die starke Heterogenität der Aufnahmen und Metadaten dar. Der existierende EDF+-Standard wird von den Geräteherstellern nur auf der Ebene der technischen Spezifikation hinreichend unterstützt. Insbesondere die Metadaten weisen jedoch erhebliche Abweichungen auf. So werden die Signalbezeichnungen nur in wenigen Ausnahmefällen gemäß der EDF+-Spezifikation verwendet, gelegentlich sogar uneindeutig, so dass die Signalzuordnung nur anhand von weiteren Informationen wie der Samplingfrequenz oder dem Vorhandensein bestimmter weiterer Signale erfolgen kann. Auch zeichnen sich die untersuchten Polysomnographien durch eine Vielzahl weiterer Signalkanäle aus, die über die Standardmessungen hinausgehen. Wie diese konsistent dargestellt werden können, wird zur Zeit untersucht.

Aufgrund der Größe der Polysomnographien von mehreren hundert Megabyte kann es bei der lokalen Pseudonymisierung und der Visualisierung bei älteren Arbeitsplatzrechnern zu Peformanceproblemen kommen, die vermutlich auf einer hohen Speicherauslastung basieren. Hier sind weitere Optimierungen, z.B. durch Streamingverfahren, notwendig.

Auch die automatische Qualitätsanalyse auf Basis der Signaleigenschaften ist Teil aktueller Forschung und Entwicklung.


Literatur

1.
Iber C, et al. The AASM Manual for the Scoring of Sleep and Associated Events. American Academy of Sleep Medicine; 2015. Online: http://www.aasmnet.org/scoringmanual/default.aspx Externer Link
2.
Hedner J, et al. The European Sleep Apnoea Database (ESADA): report from 22 European sleep laboratories. Eur Respir J. 2011 Sep; 38(3):635–642.
3.
Kemp B, Olivan J. European data format ‘plus’ (EDF+), an EDF alike standard format for the exchange of physiological data. Clinical Neurophysiology. 2003 Sep; 114(9): 1755–1761. DOI: 10.1016/S1388-2457(03)00123-8 Externer Link
4.
Marcus DS, Olsen TR, Ramaratnam M, Buckner RL. The Extensible Neuroimaging Archive Toolkit: an informatics platform for managing, exploring, and sharing neuroimaging data. Neuroinformatics. 2007; 5(1): 11–34.