gms | German Medical Science

GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Malignitätsgrading des Prostatakarzinoms mittels morphometrischer Deskriptoren

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Timo Greim - Interdisziplinäres Zentrum für Bioinformatik, Universität Leipzig, Deutschland
  • Ulf-Dietrich Braumann - Interdisziplinäres Zentrum für Bioinformatik, Universität Leipzig, Deutschland; Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Deutschland
  • Michael Muders - Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Deutschland
  • Markus Löffler - Interdisziplinäres Zentrum für Bioinformatik, Universität Leipzig, Deutschland; Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Universität Leipzig, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 204

doi: 10.3205/15gmds009, urn:nbn:de:0183-15gmds0099

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Greim et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Maligne Veränderungen der Prostata können unter anderem durch die Klassifikation nach Gleason [1], welche die Morphologie der Drüsen und deren Architektur beschreibt, eingeteilt werden. Wachsender Kritikpunkt an diesem etablierten und in zahlreichen Studien validierten Verfahren ist dabei ein Defizit seiner Reproduzierbarkeit [2]. Um die Tumor-Einteilung weiter zu verbessern und vor allem zu standardisieren, ist eine zugeschnittene computergestützte Herangehensweise vielversprechend.

Material und Methoden: Für die gegenwärtigen Untersuchungen und Betrachtungen liegen 103 Schnitte von Nadelbiopsien der Prostata vor. Dabei zeigen 30 Proben einen low-grade Tumor (GG3) und 77 einen high-grade Tumor (GG4). Alle sind mit Haematoxylin & Eosin gefärbt und weisen jeweils sowohl tumoröse als auch nicht-tumoröse Strukturen auf. Im Gegensatz zu den Vorarbeiten [3], in denen das Verfahren von uns erstmals eingeführt wurde, sind hierbei keine ROIs innerhalb von Komplettschnitten radikaler Prostatektomien durch Uropathologen vordefiniert worden. Folglich bestanden für die vorliegenden Analysen keine regionalen Einschränkungen innerhalb der histologischen Schnitte der Nadelbiopsien. Das hier als Goldstandard dienende Grading wurde vorab durch einen Uropathologen vorgenommen.

Bei der verwendeten routinemäßigen Färbemethode werden die relevanten Strukturen, z.B. Zellkerne und Epithelien, von Haematoxylin angefärbt. Eosin hingegen markiert überwiegend Binde- bzw. Muskelgewebe und ist für das Auffinden und die Bewertung von Prostatadrüsen nicht von Belang. Mit Hilfe einer Farbseparierung [4] werden alle Haematoxylin gefärbten Areale extrahiert. Als nächstes folgt mit Hilfe einer anisotropen Diffusionsmethode [5] eine kantenerhaltende Glättung. Die Notwendigkeit dieses Schrittes liegt in der inhomogenen Anfärbung durch Haematoxylin begründet. So werden durch diesen Farbstoff im engeren Sinne und besonders bei niedrigeren Konzentrationen nur die Zellkerne angefärbt, sodass die markierten Epithelien vermeintliche Unterbrechungen aufweisen. Um diese Artefakte zu eliminieren, werden in direkter Nachbarschaft liegende Zellkern-Segmente durch diese Diffusionsmethode hinsichtlich der Epithelien kantenerhaltend zusammengefasst. Die weiteren Bearbeitungsschritte benötigen als Grundlage ein Binärbild. Hierfür wurde ein Binarisierungsverfahren mit zwei Schwellen gewählt, um die Nachbarschaften einzelner Segmente hervorzuheben und zu berücksichtigen. Das Verfahren nutzt eine obere fixe und eine flexible untere Schwelle, bei der Pixel nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in direkter Nachbarschaft zu einem der oberen Schwelle genügenden Pixel liegen. Somit gelingt es, zwischen isoliert liegenden schwach angefärbten und nicht-isoliert liegenden schwach angefärbten Pixeln zu differenzieren.

Nach diesen vorverarbeitenden Schritten werden die Tumorbereiche nun detektiert. Um eine gegenseitige Beeinflussung von Detektion und Klassifikation zu verhindern, werden die nicht-tumorösen Strukturen detektiert und aus dem Bild entfernt. Diese benignen Strukturen zeichnen sich unter anderem durch eine größere Epitheldicke, eine monomorphe zirkuläre Drüsenform und die räumliche Anordnung innerhalb der Stanze aus. Durch das Anwenden dieser Eigenschaften kann eine Elimination von nicht-tumorösen Strukturen und folglich eine Detektion von Tumor vorgenommen werden. Durch die kombinierte Anwendung einer Skelettierung und einer Distanztransformation gelingt es, die Epitheldicke einzelner Drüsensegmente zu bestimmen und auszuwerten. Alle Werte, welche dem zweischichtigen Epithel einer physiologischen Drüse entsprechen, werden aussortiert.

Im Gegensatz zu hypertrophen Drüsen weisen sowohl physiologische als auch tumoröse Drüsen eine sehr runde und verhältnismäßig kleine Form auf. Somit wird als weiteres Detektionskriterium die Drüsenform durch die Berechnung der Zirkularität der jeweiligen Lumina realisiert.

Der letzte Schritt der Tumor-Detektion umfasst die Berücksichtigung der räumlichen Anordnung innerhalb der Stanze. Einerseits zeichnen sich Tumordrüsen durch ein gebündeltes Auftreten aus, und andererseits können so zufällig den „Tumorkriterien“ genügende Fragmente eliminiert werden. Hierfür werden über jedes Segment kleinstmöglich bedeckende Hüllkreise gelegt. Die Kreisflächen werden zu sich nicht-überlappenden Hüllkreisen zusammengefasst. Deren Größe ist nun proportional zur räumlichen Ballung.

Daran schließt sich nun die Klassifikation mit Hilfe eines logistischen Regressionsmodells durch die in unseren Vorarbeiten eingeführten Deskriptoren – inverse Solidität und inverse Kompaktheit – an. Die inverse Solidität beschreibt den Quotienten der Fläche der konvexen Hüllkurve und der Fläche des Drüsenepithels. Mit ihr wird besonders die Form und Art der Außenkante der Drüse, insbesondere verzweigtes Wachstum, abgebildet. Als zweiter Deskriptor repräsentiert die inverse Kompaktheit den Quotienten der Fläche des isoperimetrischen Kreises und wiederum der Fläche des Drüsenepithels. Hiermit gelingt es, die Größe und die Länge der Drüsenaußenkante, insbesondere lobuliertes und großflächiges Wachstum, abzubilden.

Ergebnisse: Die beiden Deskriptoren zeigen hinsichtlich ihrer Werte ein zu erwartendes Verhalten. Die inverse Solidität nimmt für den low-grade Tumor mit Gleason-Grad 3 (GG3) höhere Werte an als beim high-grade Tumor (GG4). Genau umgekehrt verhalten sich die Werte der inversen Kompaktheit (GG3 < GG4). Bei unserem Pilotdatensatz von momentan 103 Proben wird mit dem oben beschriebenen Verfahren eine Konkordanz von 89% erreicht. Konkordanz beschreibt hier das Ausmaß der Übereinstimmung des von uns durchgeführten computergestützten Gradings mit dem Tumorgrading des Pathologen. Das angewandte Detektionsverfahren zeigt zum gegenwärtigen Stand der Arbeiten eine Sensitivität von 65% und eine Spezifität von 82%. Unter Berücksichtigung der hier verwendeten Probenart und dem Verzicht auf ROIs zur Tumorlokalisation ist dies dennoch insoweit ein beachtliches Ergebnis, als dass in Nadelbiopsien oft nur wenige Drüsen erfasst sind und davon unter Umständen nur ein kleiner Anteil tumoröse Merkmale aufweist. Daher werden zum gegenwärtigen Stand der Arbeiten durch das Detektionsverfahren bei 14 Proben wegen sehr geringer Tumormengen keine entarteten Drüsen gefunden. Durch weitere geplante Optimierungen der Tumordetektion ist davon auszugehen, dass einerseits neben der Spezifität vor allem die Sensitivität des Verfahrens gesteigert wird und andererseits die Korrektklassifikationsrate ein Niveau vergleichbar den Vorarbeiten [3] erreicht; dort wurde an Komplettschnitten radikaler Prostatektomien mit Hilfe von ROIs eine Konkordanz von 94% erzielt.

Diskussion: Bei oben dargestelltem Verfahren zur Tumor-Detektion müssen einige Paramater vorgegeben werden. Diese wurden anhand von Annahmen (z.B. typische Epitheldicke) manuell festgelegt und unterliegen bisher somit einer gewissen Willkür. Um dabei unvermeidliche Fehler zu minimieren, werden wir Parametervariationen vornehmen, um deren jeweiligen Einfluss abschätzen und die Robustheit unseres Verfahrens bestimmen zu können. Zudem werden wir prüfen, ob und inwieweit sich ein zusätzlicher dritter Deskriptor als nützlich erweist. Durch eine wesentliche Vergrößerung des Probenumfangs werden wir eine weitere Stabilisierung des Verfahrens erreichen können. Als Ausblick planen wir zudem die Generierung von Malignitätskarten der jeweiligen Stanze, mit deren Hilfe verschiedene Malignitätsstufen innerhalb einer Probe unterschieden werden können.


Literatur

1.
Gleason DF. Classification of prostatic carcinomas. Cancer chemotherapy reports. Part 1. 1966;50:125.
2.
Egevad L, Ahmad AS, Algaba F, Berney DM, Boccon-Gibod L, Compérat E, et al. Standardization of Gleason grading among 337 European pathologists. Histopathology. 2013;62:247–56. 23240715.
3.
Braumann U, Scheibe P, Loeffler M, Kristiansen G, Wernert N. Prostate malignancy grading using gland-related shape descriptors. In: SPIE Medical Imaging. SPIE Proceedings: SPIE; 2014. p. 90410M.
4.
Ruifrok AC, Johnston DA. Quantification of histochemical staining by color deconvolution. Analytical and quantitative cytology and histology/the International Academy of Cytology [and] American Society of Cytology. 2001;23:291–99.
5.
Sethian JA. Level set methods and fast marching methods: Evolving interfaces in computational geometry, fluid mechanics, computer vision, and materials science. 2nd ed. Cambridge monographs on applied and computational mathematics, Vol 3. Cambridge, U.K., New York: Cambridge University Press; 1999.