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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Multiple Sklerose (MS) – Evaluation ausgewählter Kosten-Nutzen-Analysen (KNA) zu neuen Therapieformen

Meeting Abstract

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  • Christian Schröer - Universität zu Köln, DE
  • Helmut Brunner - Universität zu Köln, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.130

doi: 10.3205/13gmds174, urn:nbn:de:0183-13gmds1749

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Schröer et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Die MS, eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, kann früh zu stark reduzierter Lebensqualität und hohen gesellschaftlichen Kosten führen. Die vierteljährlichen Gesamtkosten pro MS-Patient betragen in Deutschland 10.329 € (95% KI; 9.357-11.390) [1]. In fortgeschrittenem Krankheitsstadium können volkswirtschaftliche Kosten von über 100.000 € pro Patient und Jahr entstehen. Monoklonale Antikörper und neue orale Arzneimittel werden als Innovationen in Kosten-Nutzen-Bewertungen diskutiert [2].

Material und Methoden: Nach systematischer Literaturrecherche wurden eine Phase III Studie (TEMSO) [3] und drei KNA [4], [5], [6] ausgewählt und nach dem QHES [7] bewertet. Die ökonomische Ausgangssituation zu konventionellen immunmodulatorischen MS-Therapeutika wurde in den KNA von Noyes et al. [4] und Nuijten und Mittendorf [5] analysiert. Um das Potenzial neuer oraler Arzneimittel einschätzen zu können, wurde die TEMSO-Therapiestudie [3] (anhand des CONSORT-Statements) und eine KNA [6] zu Fingolimod analysiert und mit den Daten zu etablierten MS Medikamenten verglichen. Die Übereinstimmung der Bewertung durch vier Gutachter wurde nach Fleiss Km quantifiziert.

Ergebnisse: Die inkrementellen KNA [4], [5] veranschaulichten bei mäßiger Wirksamkeit die hohen Kosten von konventionellen Präparaten (Interferon ß1a IM, Interferon ß1a SC, Interferon ß1b, Glatirameracetat). Noyes et al. [4] veranschlagten für Interferon ß1a SC 1.159.575 $ pro QALY in einem zehnjährigen Zeithorizont (Therapiebeginn ab EDSS Grad zwei). Bei Nuijten und Mittendorf [5] betrugen die Kosten aus gesellschaftlicher Perspektive pro vermiedenem Schub für Interferon ß1a SC 51.250 €. Nach Heisen et al. [6] war Fingolimod per os über zehn Jahre die günstigere Alternative zum injizierbaren Natalizumab. Im ersten Jahr verursachte Fingolimod prognostizierte kumulierte Gesamtkosten von 26.191 €, Natalizumab 29.157 € pro Patient. Einsparungen: 2.966 € (95% KI: 4.209 €; 1.801 €). Nach zehn Jahren würden sich kumulierte Gesamtkosten für Fingolimod von 209.492 € und für Natalizumab von 237.779 € ergeben. Natalizumab parenteral stellte sich als ein entscheidender Kostentreiber im Vergleich zu Fingolimod per os dar (jährlich über 4000 € für insgesamt 13 Infusion pro Patient). In der TEMSO-Studie [3] wurde mit Teriflunomid die adjustierte jährliche Schubrate um 31,2% (7mg) und 31,5% (14mg) im Vergleich zur Plazebogabe reduziert. Das Risiko einer bestätigten Behinderungsprogression konnte um 23,7% (7mg; p=0,08) und 29,8% (14mg; p=0,03) gesenkt werden. Die Qualität der TEMSO-Studie wurde als gut bezeichnet, CONSORT. Alle Gutachter attestierten auch den KNA eine angemessene bis hohe Qualität, QHES.

Diskussion: Aufgrund des günstigen Sicherheitsprofils bei Senkung der Schubrate und der Behinderungsprogression konnte die EMA Teriflunomid als neues MS-Therapeutikum empfehlen. Neueste Ergebnisse der TENERE-Studie [2] zeigten keinen signifikanten Unterschied der Wirksamkeit zwischen Teriflunomid und Interferon β1a SC. Am Beispiel von Fingolimod zeigte sich, dass erhebliche Einsparungen durch neue Arzneimittel möglich sind. Die innovativen Wirkstoffe zur MS-Behandlung eröffnen neue therapeutische und ökonomische Wege der MS-Therapie. In einem indirekten Vergleich ist Fingolimod wirksamer hinsichtlich einer Schubreduktion als Teriflunomid, jedoch bietet Teriflunomid ein günstigeres Sicherheitsprofil. Abhängig von der individuellen Verträglichkeit und Wirksamkeit der neuen Wirkstoffe könnte sich künftig ein größeres und kostengünstigeres Behandlungsspektrum der MS in der personalisierten Medizin ergeben.


Literatur

1.
Reese JP, John A, Wienemann G, Wellek A, Sommer N, Tackenberg B, et al. Economic burden in a German cohort of patients with multiple sclerosis. Eur Neurol. 2011; 66: 311 - 321.
2.
Gold R. Oral therapies for multiple sclerosis: a review of agents in phase III development or recently approved. CNS Drugs. 2011; 25: 37 - 52.
3.
O´Connor P, Wolinsky JS, Confavreux C, Comi G, Kappos L, Olsson TP, et al. Randomized trial of oral teriflunomide for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med. 2011; 365 (14): 1293 - 1303.
4.
Noyes K, Bajorska A, Chappel A, Schwid SR, Mehta LR, Weinstock-Guttman B, et al. Cost-effectiveness of disease-modifying therapy for multiple sclerosis: a population-based study. Neurology. 2011; 77 (4): 355 - 363.
5.
Nuijten M, Mittendorf T. A health-economic evaluation of disease-modifying drugs for the treatment of relapsing-remitting multiple sclerosis from the German societal perspective. Clin Ther. 2010; 32 (4): 717 - 728.
6.
Heisen M, Treur MJ, van der Hel WS, Frequin ST, Groot MT, Verheggen BG. Fingolimod reduces direct medical costs compared to natalizumab in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis in the Netherlands. J Med Econ 2012; 15 (6): 1149 - 1158.
7.
Ofman JJ, Sullivan SD, Neumann PJ, Chiou CF, Henning JM, Wade SW, et al. Examining the value and quality of health economic analyses: implications of utilizing the QHES. J Manag Care Pharm. 2003; 9 (1): 53 - 61.