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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Knowledge Engineering für ein Decision Support System zur Diagnose von Rückenschmerzen

Meeting Abstract

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  • Wilfried Honekamp - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz, DE
  • Sandro Hänseroth - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz, DE
  • Marcus Eif - Städtisches Klinikum Görlitz gGmbH, Görlitz, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.125

doi: 10.3205/13gmds144, urn:nbn:de:0183-13gmds1445

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Honekamp et al.
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Gliederung

Text

An der Hochschule Zittau/Görlitz wird ein umfassendes Informationssystem „Schmerzlotse“ für Schmerzpatienten, d.h. medizinische Laien, entwickelt und evaluiert. Basis des Systems sind Expertensysteme, die zu den jeweiligen Beschwerden eine interne Diagnose ermitteln und dem Nutzer anhand dieser Links zu ausgewählten qualitätsgesicherten Internetseiten bereitstellen [1]. Die Arbeiten zu Kopf- und Schulterschmerzen sind bereits abgeschlossen [2], [3]. Aktuell wird ein Expertensystem zur Diagnose von Rückenschmerzen, beschränkt auf die Lendenwirbelsäule, entwickelt. Der Prozess der Akquise und der Implementierung des Wissens wird Knowledge Engineering [4] genannt und soll in diesem Beitrag beschrieben werden.

Als medizinischer Experte konnte der Neurochirurg Dr. med. Marcus Eif, Oberarzt am Klinikum Görlitz, gewonnen werden. Für ihn war ein Informationssystem für Rückenschmerzen dringend geboten, da es sich um eine Volkskrankheit handelt und Patienten mit unklarer Diagnose schnell zur Neurochirurgie überwiesen werden. Ein informierter Patient bekommt eine aktivere Rolle und regt den Dialog mit dem Mediziner an.Durch den verbesserten Informationsstand kann ein beschleunigter Heilungsprozess, die bessere Einschätzung von Wahlmöglichkeiten und Beurteilung, wann medizinische Hilfe notwendig ist, erwartet werden [5].

In einem ersten Schritt des Knowledge Engineerings wurden die Rückenschmerzen auf 20 Erkrankungen der Lendenwirbelsäule von unspezifischen Rückenschmerzen über die Muskelverspannung, den Bandscheibenschaden mit und ohne Vorfallbis zur angeborenen Missbildung eingeschränkt. Anschließend wurde in einer Introspektion die Vorgehensweise bei der Diagnoseerstellung durch den Experten ermittelt. Dabei werden die Anamnesefragen extrahiert und soweit möglich in Expertensystemfragen umgewandelt [4]. Alle 22 Fragen vom Alter bis zu „Haben sie ohne Diät Gewicht verloren?“konnten mit ihren möglichen Antworten (Symptome, Zustände oder weitere Informationen) in das System übernommen werden. Anschließend wurden die möglichen Diagnosen und ihre Häufigkeitsverteilung auf alle Fälle von Lendenwirbelschmerzen abgefragt. Die Häufigkeitsverteilung ist die Basis für die Wissensrepräsentation in Bayesschen Netzen [6]. Heraus kam eine Auflistung von 20 Diagnosen mit den Wahrscheinlichkeiten ihres Auftretens unter der Bedingung, dass Lendenwirbelschmerzen vorhanden sind. In einem letzten Schritt wurde mit einem semi-strukturieren Interview ermittelt, welche Symptome, Zustände und weitere Informationen sich mit welchen Wahrscheinlichkeiten zu welchen Diagnosen zuordnen lassen. Dabei wurden die Symptome, Zustände und weiteren Informationen in 5 Klassen den Diagnosen zugeordnet: 1. tritt sehr wahrscheinlich nicht auf, 2. tritt selten auf, 3. tritt zu annähernd gleichen Teilen mal auf und mal nicht, 4. tritt häufig auf und 5. tritt sehr wahrscheinlich auf. Mit diesen Angaben lassen sich nach der Bayesschen Formel P(X|Y)=P(Y|X)*P(X)/P(Y) die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Diagnosen unter den Bedingungen der bekannten Symptome, Zustände und weiteren Informationen berechnen [6].

Ergebnis ist ein im Tool Netica von Norsys implementiertes Bayessches Netz mit 22 Knoten, in denen jeweils die Antworten des Patienten auf die Anamnesefragen spezifiziert werden können. Durch bayessches Schließen ergibt sich aus den Angaben des Patienten eine wahrscheinliche Diagnose.

Das System muss nun anhand einer großen Zahl ausgewählter Beispielfälle verifiziert und ggf. angepasst werden [7]. Anschließend wird es in das Patienteninformationssystem Schmerzlotse integriert.


Literatur

1.
Honekamp W, Ostermann H. Anamneses-based internet information supply: can a combination of expert system and meta-search engine help consumers finding the health information they require? The Open Medical Informatics Journal. 2010;4.
2.
Honekamp W. Angeleitete internetbasierte Patienteninformation - Studie zur Effektivität eines Informationssystems für Kopfschmerzpatienten. Zeitschrift für Nachwuchswissenschaftler. 2009;1(1).
3.
Honekamp W, Hänseroth S. Evaluation of an online information system for shoulder pain patients. International Journal of Computer and Information Technology. 2013;2(3).
4.
Schnabel M. Expertensysteme in der Medizin. Stuttgart: Fischer; 1996.
5.
Köhler C, Hägele M. Integration des Patienten in medizinische Informationskreisläufe. In: Lehmann T, Hrsg. Handbuch der Medizinischen Informatik. München: Hanser; 2005.
6.
Lämmel U, Cleve J. Künstliche Intelligenz. München: Hanser; 2008.
7.
Spreckelsen C, Spitzer L. Entscheidungsunterstützende Systeme und wissensbasierte Methoden in der Medizin. In: Lehmann T, Hrsg. Handbuch der Medizinischen Informatik. München: Hanser; 2005.