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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Entwicklung und Evaluation eines Softwareprototypen als Strukturierungshilfe für Notrufgespräche in Rettungsleitstellen

Meeting Abstract

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  • Klaus-Hendrik Wolf - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig, DE
  • Patrick Motylewski - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig, DE
  • Andreas Günther - Rettungsdienst, Feuerwehr Braunschweig, Braunschweig, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.41

doi: 10.3205/13gmds027, urn:nbn:de:0183-13gmds0278

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Wolf et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Das Notrufgespräch ist in der Rettungskette wesentlich, da es den ersten Kontakt zwischen Hilfesuchendem und den Hilfskräften darstellt. Die Informationen die der Disponent in der Leitstelle im Verlaufe dieses Gesprächs erfährt dienen ihm dazu die Lage vor Ort einzuschätzen und die Weichen für die Versorgung des Patienten zu stellen [1]. Die abgeleitete Einsatzentscheidung soll den Hilfsbedarf möglichst präzise decken. Ein zu wenig an Hilfe kann unmittelbare negative Konsequenzen für den Hilfesuchenden bedeuten, während eine Überalarmierung potentiell Dritte schädigt, da sie knappe Ressourcen bindet, die an anderer Stelle notwendiger sein können und z.B. durch unnötige Fahrten mit Sonderrechten das Unfallrisiko erhöht. Trotz der enormen Bedeutung des Notrufgesprächs wird dessen Inhalt und Strukturierung häufig dem Disponenten überlassen, der durch geeignete Ausbildung und Training diese Aufgabe erfüllt. Um eine bessere Qualitätsprüfung und -sicherung auch in diesem Bereich zu etablieren und den Druck auf die Disponenten zu reduzieren wurden Formen der strukturierten Notrufabfrage entwickelt [2], [3]. Ziel der vorgestellten Arbeit ist es ein technisches System zur Unterstützung des Disponenten zu entwickeln und zu evaluieren, dass durch visuelle Unterstützung eine bessere Strukturierung der Notrufabfrage erlaubt und regelbasiert einen Einsatzvorschlag generiert.

Material und Methoden: Verschiedene Ansätze zur Strukturierung von Notrufgesprächen und Rückmeldecodes [4] zur Klassifizierung der Lage vor Ort wurden analysiert und mit Verantwortlichen diskutiert. Basierend auf den Ergebnissen entstand ein erster Prototyp (IOD) als visuelle Strukturierungshilfe zur indikationsorientierten Disposition, der fortlaufend durch weitere Gespräche und Versuche verbessert wurde. Eine fortgeschrittene Version des Prototyps war die Basis für eine Evaluation. Zunächst wurde jedem einzelnen von 14 zufällig ausgewählten Disponenten der Prototyp und das aus dem englischen stammende System SNAP zur Strukturierung von Notrufabfrage vorgestellt und anschließend ein strukturiertes Interview und eine offene Befragung durchgeführt. Als dritte Variante der Notrufabfrage war die aktuelle individuelle Strukturierung des Notrufgesprächs zu bewerten.

Ergebnisse: Der browserbasierte Prototyp IOD lässt sich sehr flexibel einsetzen, um eine mögliche Form der Strukturierung von Notrufgesprächen darzustellen. Die Evaluation mit den Disponenten ergab, dass diese dem neuen Instrument sehr aufgeschlossen gegenüber standen. Bis auf in der Kategorie „Sicherheit entscheidende Informationen nicht zu verpassen“ wurde es dem im englischsprachigen Raum weit verbreiteten SNAP-System vorgezogen. Selbst im Vergleich zu der aktuellen Situation wurde IOD bis auf in der Kategorie „Zeitbedarf bis zur Einsatzentscheidung“ besser bewertet.

Diskussion: Der entwickelte Prototyp IOD zur visuellen Unterstützung der Strukturierung von Notrufgesprächen ist ein Versuch das bisher gering standardisierte Vorgehen der Disponenten zur Erfassung des Meldebilds auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Die Visualisierung beruht auf einem indikationsorientierten Konzept. Der Disponent muss dabei seine Entscheidung nicht auf die von ihm angenommene Verdachtsdiagnose fußen, sondern kann unmittelbar aus den abgefragten Symptomkomplexen die Einsatzentscheidung ableiten. Das System unterstützt dies durch einen Alarmierungsvorschlag, der auf einem Algorithmus beruht, der vom verantwortlichen ärztlichen Leiter Rettungsdienst festgelegt wird. Die große Zustimmung unter den befragten Disponenten deutet darauf hin, dass ein derartiges Werkzeug den Arbeitsalltag der Disponenten verbessern kann. Ob der Einsatz des Systems in der Praxis tatsächlich zu einer Präzisierung der Einsatzentscheidung führen kann ist noch zu zeigen.


Literatur

1.
Zellmann I, Schimmelpfennig K, Krüger U, Müller M, Sievers D, Hackstein A. Die Leitstelle: Der Notrufdialog ist der Kernprozess. Rettungsdienst. 2011;34(8):48-54
2.
Baumann A, Sellin, S, Breckwoldt J. Standardisierte Notrufabfragesysteme für die Leitstelle. Notfallmedizin up2date. 2009;4(3):261-277
3.
Kappus S. SMAP – Standardisierte medizinische Notrufabfrage in der Rettungsleitstelle der Feuerwehr Hamburg. Notfall Rettungsmed. 2010;13:789-794
4.
Lenz W, Luderer M, Seitz G, Lipp M. Die Dispositionsqualität einer Rettungsleitstelle. Qualitätsmanagement mit der Rückmeldezahl. Notfall Rettungsmed. 2000;3:72-80