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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Erhöhtes Verletzungsrisiko von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung: Eine gematchte Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • Christina Lindemann - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland
  • Ingo Langner - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland
  • Denise Heuer - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland
  • Rafael Mikolajczyk - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland
  • Edeltraut Garbe - BIPS – Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung, Bremen, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds151

doi: 10.3205/12gmds151, urn:nbn:de:0183-12gmds1517

Veröffentlicht: 13. September 2012

© 2012 Lindemann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. In 2005 wiesen 2,4% der 3 bis 17-Jährigen eine ADHS Diagnose auf [1]. Neben einer erhöhten Komorbidität ist bekannt, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS ein erhöhtes Verletzungsrisiko haben.

Ziel: Ziel der vorliegenden Analyse war es, das Hospitalisierungsrisiko aufgrund von Verletzungen für Kinder und Jugendliche mit ADHS im Vergleich zu Nicht-Betroffenen zu untersuchen.

Methode: Im Rahmen der „German Population Based Long Term Follow-Up of ADHD“ (GEPOLO-ADHD) Studie wurde eine gematchte Kohortenstudie etabliert. Datenbasis war die Deutsche Pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank (GePaRD), die Daten von vier Krankenkassen mit über 15 Millionen Versicherten aus ganz Deutschland enthält. Im Rekrutierungszeitraum von 2005 bis 2007 wurden inzidente ADHS-Fälle im Alter von 3–17 Jahren identifiziert. Diese waren definiert als Kinder, die entweder eine Krankenhausdiagnose von ADHS (F90.0 oder F90.1), zwei ambulante Diagnosen F90.0, F90.1 oder F90.9 bzw. eine ambulante Diagnose F90.0 oder F90.1 mit einer Verschreibung von Methylphenidat innerhalb von 365 Tagen aufwiesen. Zu jedem ADHS-Fall wurde eine nach Geschlecht, Alter bei Diagnosestellung, Wohnregion und Krankenkasse ähnliche Kontrolle ohne ADHS gematcht. Das Follow-up erfolgte bis zum Austritt aus der Versicherung, Tod oder dem Ende des Studienzeitraums (31.12.2009). Verletzungen wurden über ICD-10 Codes identifiziert und für ihre Einteilung die Injury Mortality Matrix zu Grunde gelegt. In einer ersten Analyse wurden Hazard Ratios (HR) für Hospitalisierungen aufgrund von traumatischer Kopfverletzung bei Kindern mit AHDS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS bestimmt. Das hierfür verwendete statistische Modell der Cox-Regression schloss den ADHS-Status, das Alter bei Diagnosestellung, Geschlecht und Wohnort, sowie alle zwei-Wege Interaktionen ein.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 75.300 Kinder mit ADHS und ohne ADHS in die Analyse eingeschlossen. Davon hatten 1.187 Kinder eine stationäre Aufnahme aufgrund einer traumatischen Kopfverletzung. Kinder mit ADHS hatten ein 1,5-fach erhöhtes Risiko (HR 1,45; 95% Konfidenzintervall (KI) 1,30–1,64) für eine Aufnahme wegen traumatischer Kopfverletzung im Vergleich zu Kindern ohne ADHS. Insgesamt hatten Mädchen ein geringeres Risiko (HR 0,68; 95% KI 0,59 - 0,79) als Jungen. Das Risiko war besonders ausgeprägt für die jüngsten Kinder (3 Jahre bei der Diagnosestellung) (HR 2,35; 95% KI 1,54–3,58) im Vergleich zur Referenz (ADHS-Kinder mit der Diagnosestellung im Alter von 8 Jahren und deren Kontrollgruppe). Regionale Unterschiede spielten nur eine geringe Rolle.

Diskussion: Das bekanntermaßen erhöhte Verletzungsrisiko bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS wurde in unserer Studie für Kopfverletzungen mit Hospitalisierung bestätigt. ADHS beeinflusste nicht differentiell die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Hospitalisierungsraten wegen Kopfverletzungen, was gegen die Auswirkungen der häufig ausgeprägteren Hyperaktivitätssymptomatik bei Jungen auf diese Unfallrisiken spricht. Das besonders hohe Risiko bei sehr jungen Kindern könnte auf die noch unzureichende motorische Kontrolle in diesem Alter zurückzuführen sein.


Literatur

1.
Lindemann C, Langner I, Kraut A, Banaschewski T, Schad-Hansjosten T, Petermann U, et al. Age-specific prevalence and drug treatment of attentiondeficit/hyperactivity disorder (ADHD) in Germany. J Child Adol Psychopharm. 2011.