gms | German Medical Science

GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

DMP Diabetes mellitus Typ 2: Robuste Modellierung regionaler Unterschiede unter Berücksichtigung der Datenstruktur

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Ewan Donnachie - Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, München, Deutschland
  • Frank Hofmann - Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, München, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds140

doi: 10.3205/12gmds140, urn:nbn:de:0183-12gmds1403

Veröffentlicht: 13. September 2012

© 2012 Donnachie et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Fragestellung: In Bayern nehmen rund 60% der geschätzten 810.000 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 am entsprechenden DMP teil [1]. Die regelmäßig erhobenen Dokumentationsdaten decken jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt in Bayern ab und eignen sich von daher sehr gut für die Analyse regionaler Unterschiede. Ziel ist es, regionale Besonderheiten zu verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse für die weitere Entwicklung des Programms einzusetzen. Für die Darstellung solcher räumlichen Daten werden häufig Choroplethkarten eingesetzt, die mittels einer Farbskala die Verteilung einer Variablen darstellen [2]. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Karten, obwohl nützlich, häufig mehr Fragen als Antworten liefern. Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen lassen sich nur schwer untersuchen. Darüber hinaus sind viele vermeintliche Unterschiede zwischen den Landkreisen in der Realität nur Artefakte des Zufalls: Die Daten sind in der Regel nicht selbstsprechend. Um zuverlässige Aussagen treffen zu können, ist eine robuste, statistische Modellierung gefordert. Beispielhaft wird die Assoziation zwischen der Durchführung einer augenärztlichen Netzhautuntersuchung und die Wahrnehmung einer Diabetes-Schulung untersucht. Obwohl hier von einer Korrelation auszugehen ist (z.B. aufgrund der Compliance des Patienten), soll geprüft werden, ob diese regional unterschiedlich ist.

Methoden: Für 472.319 Patienten im DMP Diabetes mellitus Typ 2 wurden folgende Variablen ermittelt: Praxiszugehörigkeit, Landkreis bzw. kreisfreie Stadt der Praxis, Patientenalter, Wahrnehmung einer Diabetes-Schulung während der DMP-Teilnahme und Durchführung einer augenärztlichen Netzhautuntersuchung im letzten Jahr. Auf Patientenebene wurde mittels logistischer Regressionsmodelle die Durchführung einer Netzhautuntersuchung in Abhängigkeit des Schulungsstatus und des Patientenalters modelliert. Das Patientenalter wurde als quadratischer Effekt modelliert, da die Netzhautuntersuchung sowohl unter jüngeren als auch unter älteren Patienten seltener durchgeführt wird [1]. Das Modell wird erstmals auf Basis aller bayerischen Patienten geschätzt, dann für die einzelnen bayerischen Landkreise [3]. Von Interesse ist, ob die geschätzten Odds-Ratios für die Diabetes-Schulung unter den Landkreisen mit der entsprechenden Schätzung auf Bayernebene konsistent sind. In einem zweiten Schritt wird das Modell durch einen Zufallseffekt für die Praxiszugehörigkeit ergänzt. Ein Vergleich der insgesamt 194 Regressionsmodelle soll Aufschluss über den Einfluss der Datenstruktur ermöglichen.

Ergebnisse: Auf Bayernebene ergeben sowohl das klassische als auch das hierarchische Regressionsmodell eine Odds-Ratio von ca. 1,5 für die Assoziation der Diabetes-Schulung auf Netzhautuntersuchung. Auf Landkreisebene sind die entsprechende Odds-Ratios der klassischen logistischen Regressionsmodelle sehr unterschiedlich (Odds-Ratios im Intervall 0,9–3,5). Die hierarchischen Modelle mit Berücksichtigung der Praxiszugehörigkeit weisen dagegen einen starken „Shrinkage“-Effekt auf: Landkreisen mit besonders hohem Odds-Ratio werden stark zum bayerischen Durchschnitt korrigiert, sodass kaum signifikante Unterschiede vorliegen (Odds-Ratios im Intervall 1,0–2,2). Eine genaue Analyse der betroffenen Landkreise ergibt, dass zum Beispiel die Hälfte der Patienten durch eine einzige Arztpraxis betreut wird. So verzerrt die Besonderheiten einer einzigen Arztpraxis – die in einem größeren Landkreis kaum Einfluss hätte – das Ergebnis des gesamten Landkreises.

Diskussion: Aktuell besteht viel Interesse darin, durch die Analyse regionaler Unterschiede in der Versorgung Anhaltspunkte für deren Verbesserung zu identifizieren [4]. Neben den Honorarabrechnungsdaten bieten die Disease-Management-Programme eine in dieser Hinsicht wichtige Datenquelle. Brauchbare Erkenntnisse erfordern jedoch eine sorgfältige Berücksichtigung der Datenstruktur. Hierarchische Regressionsmodelle sind ein Ansatz, diese Struktur zu modellieren und so die Ursachen der beobachteten regionalen Unterschiede zu erforschen.


Literatur

1.
Donnachie E, Hofmann F, et al. Qualitätsbericht 2010: Disease Management Programme in Bayern. Gemeinsame Einrichtung DMP Bayern. Dezember 2011,
2.
Bivand R, et al. Applied Spatial Data Analysis with R. 1. Auflage. Berlin: Springer; 2008.
3.
Gelman A, Hill J. Data Analysis using Regression and Multilevel/Hierarchical Models. 1. Auflage. Cambridge: Cambridge University Press; 2006.
4.
Der Versorgungsatlas des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) [Internet]. Available from: http://www.versorgungsatlas.de [cited 13.04.2012] Externer Link