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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Intersektorale Referenzmodelle als ein Baustein zum effektiven Informationsaustausch bei der Versorgung von Patienten mit Tumorschmerzen – aktuelle Ergebnisse des Verbundprojektes IKM health

Meeting Abstract

  • Marcus Garthaus - Universität Osnabrück, Deutschland
  • Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück, Deutschland
  • Eva Cruel - Hochschule Osnabrück, Deutschland
  • Manuel Zimansky - Universität Osnabrück, Deutschland
  • Murat Gök - Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
  • Otto Rienhoff - Universität Göttingen, Deutschland
  • Hartmut Remmers - Universität Osnabrück, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds079

doi: 10.3205/12gmds079, urn:nbn:de:0183-12gmds0799

Veröffentlicht: 13. September 2012

© 2012 Garthaus et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Eine effektive schmerztherapeutische Versorgung von Patienten mit Tumorschmerzen setzt zunehmend interdisziplinäre Behandlungsansätze voraus. Die medizinischen und pflegerischen Behandlungsabläufe sind in hohem Maße komplex, spezialisiert und erfordern die Beteiligung eines multiprofessionellen Akteurkreises [1], [2]. Nicht selten kommt es an den Übergabepunkten entlang der (intersektoralen) Versorgungskette zu kommunikationsbedingten Problemen und Informationsdefiziten [3]. Zur formalisierten allgemeingültigen Beschreibung der Informationen und der Informationsaustauschprozesse bieten sich Referenzmodelle an. Auf ihrer Basis können Lösungen für Entwickler von Informationssystemen vorgedacht, die Grundlage für Dokumenten- und Nachrichtenstandards geschaffen und die Erstellung von Anwendungsmodellen erleichtert werden [4], [5], [6]. Konkret schließt sich die Fragestellung an, wie die spezifischen intersektoralen Informations- und Prozessanforderungen bei Patienten mit Tumorschmerzen generiert und darüber hinaus modelliert werden können, um die komplexen (Informations-)Systeme in verständlicher und nachvollziehbarer Form darzustellen. Das Anwendungsfeld Tumorschmerz (Universität Osnabrück) gliedert sich ein in das von der EU geförderte Niedersächsische Verbundprojekt IKM health, welches um die Krankheitsbilder chronische Wunden (Hochschule Osnabrück) und Rückenschmerz (Universitätsmedizin Göttingen) ergänzt wird. Die benannten Anwendungsfälle liefern gute Beispiele für eine intersektorale Gesundheitsversorgung durch die Einbindung unterschiedlicher Professionen bei gleichzeitig unterschiedlich hohen Komplexitätsgraden [7], [8].

Methodik: Zur Generierung der spezifischen Informations- und Prozessanforderungen bei der Versorgung von Tumorschmerzpatienten wurde zu Beginn eine strukturierte Recherche nach (inter-)nationalen Leitlinien und Standards durchgeführt, da diese bei zunehmender Komplexität der Medizin und Pflege systematische und evidenzgestützte Hilfen für Entscheidungsprozesse einer leistungsfähigen Versorgung darstellen [7]. Hier wurden insbesondere Leitlinien fokussiert, die Empfehlungen zu patientenbezogenen Transferdatensätzen und intersektoralen Prozessen enthalten. Um auch den Forderungen der derzeitigen Praxis nachzukommen, wurden die eruierten Leitlinienergebnisse mit Fachärzten und Pflegefachkräften mittels Delphibefragungen und Experteninterviews abgeglichen und konsentiert [7], [9], [10], [11]. Ergänzt wurde dieses multimethodische Vorgehen um eine Analyse verschiedenartiger Dokumente (u.a. spezifische Schmerzanamnesebögen, Schmerztagebücher).

Ergebnisse: Insgesamt konnten 28 Leitlinien und Standards identifiziert werden, die relevante Informationen zu Transferdatensätzen und Prozessen bei der Versorgung von Tumorschmerzpatienten enthielten [2], [12], [13]. Trotz der sich mitunter zeigenden Heterogenität der Informationsinhalte konnten bei den darauffolgenden Delphibefragungen ‚moderate‘ (Fleiss Kappa Koeffizient κ = 0,59; Pflegefachkräfte) bis ‚beachtliche‘ Übereinstimmungen (κ = 0,70; Fachärzte) der insgesamt 134 übergaberelevanten Items erzielt werden, wenngleich hier berufsgruppenspezifische Divergenzen zwischen den Anforderungsempfehlungen der Ärzte und Pflegekräfte ersichtlich wurden. So finden ‚patientenzentrierte‘ Items, wie bspw. Selbstmanagementkompetenzen oder Compliance, bei Pflegekräften größere Zustimmung als bei Ärzten. Der Leitlinien-Praxisabgleich machte überdies deutlich, dass die Forderungen der Leitlinien nach einer optimierten Informationsweitergabe durch bessere Kommunikation, Zusammenarbeit und Prozesse durchaus mit den Wünschen der Praxis übereinstimmen, die formulierten Soll-Prozesse aufgrund vielfältiger Rahmenbedingungen aber nur bedingt umsetzbar sind. Je nach Informationsquelle (Leitlinien, Ärzte- und Pflegedelphi) ließen sich unterschiedliche Modelle generieren und bildeten die Voraussetzung zur Erstellung der finalen Referenzmodelle für Informationen und Prozesse in UML. Hierbei erwiesen sich Experteninterviews als ein adäquates Mittel, um die unterschiedlichen Anforderungsquellen abzugleichen.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Die durchgeführten Arbeiten zur Erstellung intersektoraler Referenzmodelle zur Behandlung von Menschen mit Tumorschmerzen auf Informationsbasis literaturgestützter und empirischer Anforderungsempfehlungen erwiesen sich insgesamt als nützlich, um dem Anspruch möglichst allgemeingültiger und praxisnaher Transferdatensätze und Prozesse entsprechen zu können. Der Empfehlungscharakter der Tumorschmerzmodelle sollte jedoch nicht vor seiner tatsächlichen Verwendung deklariert werden. Zur Verifizierung schließt sich deshalb eine abschließende Evaluation mit weiteren Experten der Leistungserbringung und IT-Herstellern, Fachverbänden und –gesellschaften an. Die Modellierung von Referenzinformationsmodellen mit UML bietet die Möglichkeit, in ein HL7 CDA-konformes Schema transportiert zu werden, da sich die CDA ebenfalls auf das objektorientierte HL7 RIM gründet. Für den Anwendungsfall der Wundversorgung sind entsprechende Entwicklungen bereits angebahnt [14].


Literatur

1.
Robert Koch-Institut. Chronische Schmerzen – Kopf- und Rückenschmerzen, Tumorschmerzen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 7. Berlin. 2002.
2.
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Empfehlungen zur Therapie von Tumorschmerzen, AVP, Band 34. 3. Auflage. Odenthal; 2007.
3.
Cruel E, Flemming D, Hübner U. Patientenzentriertes Informationsketten-Management zur Versorgung chronischer Wunden (eWundbericht) – Aktuelle Ergebnisse des Projektes IKM health (Informationsketten-Management zur Verbesserung der Patientenversorgung). In: 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi); 2011 Sep 26-29; Mainz, Deutschland.
4.
Delfman P. Adaptive Referenzmodellierung. Methodische Konzepte zur Konstruktion und Anwendung wiederverwendungsorientierter Informationsmodelle. Berlin: Logos Verlag; 2006.
5.
Hars A, Scheer AW. Referenzdatenmodelle. Grundlagen effizienter Datenmodellierung. Wiesbaden: Gabler; 1994.
6.
Schlieter H, Bürger M, Esswein W. Konstruktion eines adaptiven Referenzmodells für den ambulanten Sektor. In: MobIS 2010: Modellierung betrieblicher Informationssysteme – Modellgestütztes Management; 2010 Sep 15-17; Dresden, Deutschland. p. 149-70.
7.
Cruel E, Hübner U, Garthaus M, Gök M, Zimansky M, Remmers H, Rienhoff O. Requirements Engineering für Referenzmodelle mittels eines multimethodischen Vorgehensmodells. In: Mattfeld DC, Robra-Bissantz S, editors. MWKI 2012 Tagungsband. Berlin: Gito Verlag; 2012. p. 317-27.
8.
Hübner U, Cruel E, Gök M, Garthaus M, Zimansky M, Remmers H, Rienhoff O. Requirements engineering for cross-sectional information chain models. In: 11th International Congress on Nursing Informatics. Montreal, 2012 (forthcoming)
9.
Häder M. Delphi-Befragungen. Ein Arbeitsbuch. 2. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2009.
10.
Gläser J, Laudel G. Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. 2. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2006.
11.
Landis JR. Koch GG. The measurement of observer agreement for categorical data. Biometrics. 1977;33(1):159-74.
12.
Scottish Intercollegiate Guidelines Network. Control of Pain in Adults with cancer. A national clinical guideline. Edinburgh; 2008.
13.
Registered Nurses Association of Ontario. Nursing Best Practice Guideline. Assessment & Management of Pain. Ontario; 2007.
14.
Cruel E, Hübner U. Auf dem Weg zu einem multiprofessionellen elektronischen Wundbericht in der intersektoralen Versorgung. Wundmanagement. [in print].