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Der Einfluss regionaler Deprivation und sozialer Ungleichheit auf die Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 in Deutschland
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Veröffentlicht: | 20. September 2011 |
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Hintergrund: Der Zusammenhang zwischen individuellen sozioökonomischen Merkmalen wie Bildung oder Einkommen und der Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) ist mittlerweile unbestritten. Sozialstruktur und Diabetesprävalenz weisen allerdings auch starke regionale Unterschiede auf. Der Einfluss eines derartigen 'regionalen sozioökonomischen Status' auf die Prävalenz des T2DM wurde in Deutschland bisher kaum untersucht. Das Ziel unserer Arbeit bestand darin, sowohl soziale Unterschiede zu analysieren, als auch möglichst kleinräumige Effekte regionaler Deprivation zu operationalisieren und deren Einfluss auf die Diabetesprävalenz in Deutschland zu beschreiben.
Material und Methoden: Auf der Grundlage von demographischen, sozioökonomischen und umweltrelevanten Variablen der amtlichen Statistik auf Gemeindeebene bildeten wir erstmalig für ganz Deutschland ein mehrdimensionales Konstrukt, einen sogenannten „German Index of Multiple Deprivation“ (GIMD). Für die Gemeinden und kreisfreien Städte Deutschlands wurden Einzel- und Gesamtscores für den jeweiligen Deprivationsstatus berechnet und mittels einer GIS-Software (ArcGIS) visualisiert. Auf Basis der Daten der fünf regionalen Zentren des DIAB-CORE Verbundes (CARLA, Halle; KORA, Region Augsburg; HNR, Essen-Mülheim-Bochum; DO-GS, Dortmund; SHIP, Vorpommern; NGes.=11.688, NT2DM=1.008) wurden mittels logistischer Regression sozioökonomische Unterschiede in der T2DM-Prävalenz unter Verwendung von Individualdaten analysiert und regionale Disparitäten unter Verwendung des GIMD und unter Betrachtung einer bzw. mehrerer Ebenen (Multilevelanalyse) modelliert.
Ergebnisse: Neben einem erkennbaren Einfluss auf die Prävalenz des T2DM durch individuelle Merkmale wie Bildung [ORadj 1,70 (95%KI: 1,46-1,99) für die Gruppe mit niedriger Bildung] oder Einkommen [ORadj 1,88 (95%KI: 1,47-2,41) für die Gruppe mit <60% des medianen Äquivalenzeinkommens] konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen der T2DM-Prävalenz und dem Grad der kleinräumigen Deprivation auf Gemeindeebene festgestellt werden. Gemeinden in Quintilen mit hoher Deprivation wiesen im Vergleich zum Quintil mit der geringsten Deprivation (Quintil 1) ein signifikant erhöhtes Risiko für T2DM auf [Quintil 4: OR 2,00 (95%KI: 1,20-3,32); Quintil 5: OR 2,44 (95%KI: 1,43-4,15) – kontrolliert für Alter, Geschlecht und Einkommen]. Zusätzlich ergaben sich Hinweise auf Effekte der Studienregionen, welche über den Einfluss der regionalen Deprivation hinausgehen.
Schlussfolgerungen: Es bestehen deutliche soziale Unterschiede in der Prävalenz des T2DM in Deutschland, sowohl auf individueller wie auch auf regionaler Ebene. Mit Hilfe eines Index Multipler Deprivation konnte erstmals für Deutschland ein Zusammenhang zwischen gemeindebezogener regionaler Deprivation und Prävalenz des T2DM festgestellt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit können einen wichtigen Beitrag zur Diskussion leisten, um gezielt regionale Präventionsmaßnahmen zu planen.
Die Arbeit wurde unterstützt durch das „Kompetenznetz Diabetes mellitus“, gefördert vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 01GI0815).