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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Automatisierte Plausibilitätsprüfung der elektronischen Pflegedokumentation auf somatischen Allgemeinstationen: Entwicklung von Regeln und Überprüfung der Regelgüte

Meeting Abstract

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  • Jens Schall - Universitätsklinikum Aachen A.ö.R., Aachen
  • Ursula Hübner - Fachhochschule Osnabrück, Osnabrück

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds475

doi: 10.3205/11gmds475, urn:nbn:de:0183-11gmds4750

Veröffentlicht: 20. September 2011

© 2011 Schall et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die inhaltliche Plausibilität ist für die Verwendung einer Pflegedokumentation als Unterstützung im Behandlungsprozess und zum revisionssicheren Leistungsnachweis pflegerischen Handelns von hoher Relevanz [1]. Regelbasierte Expertensysteme zur Plausibilitätsprüfung elektronischer Pflegedokumentationen sind bislang nicht beschrieben, werden jedoch in anderen Bereichen der medizinischen Dokumentation bereits angewendet [2]. In dieser Studie sollen Plausibilitätsregeln identifiziert, an einem großen Datensatz aus elektronischen Pflegedokumentationen angewendet und hinsichtlich ihrer Aussagekraft untersucht werden.

Methoden: Als Rohdaten dienten 29.776 elektronische Pflegedokumentationen von somatischen Allgemeinstationen aus dem Universitätsklinikum Aachen von April bis Dezember 2010.

Aus Literatur [1], [3] und Protokollen nach der Methode des lauten Denkens [4] von 2 Pflegeexperten wurden Plausibilitätsregeln für 8 Themenbereiche pflegerischen Handelns (Atmung, Ausscheidung, Körperpflege, Ernährung, Bewegung, Dekubitusrisiko, Dekubitus, sonstige Wunden) identifiziert. Als maßgebliche Basis der Plausibilitätsprüfung dienten Angaben über die durchgeführten Pflegeinterventionen (LEP®3.1) und Zustandsbeschreibungen zum Patienten (z.B. Pflegeprobleme und Angaben zu den Wunden).

Zur Prüfung der Pflegedokumentationen wurden die Plausibilitätsregeln in SAS umgesetzt. Daraus resultierte eine Bewertung von Plausibilität in Form von Prozentangaben (plausible Anga-ben/Gesamtangaben). Anschließend wurde die Gesamtplausibilität für jede Pflegedokumentation einer von fünf möglichen Klassen von „trifft nicht zu“ bis „trifft sehr zu“ zugeordnet. Zusätzlich gaben drei Pflegeexperten stichprobenartig (n=15 Pflegedokumente) ein Urteil zur Plausibilität anhand einer 5-poligen Likertskala ab.

Ergebnisse: Bei 77,3% der Pflegedokumentationen wurde die Gesamtplausibilität durch die SAS-Auswertung mit „trifft zu“ oder „trifft eher zu“ beschrieben, in 15,5% mit „weder noch“ und in 7,07% Fällen mit „trifft eher nicht zu“ und „trifft nicht zu“. In 0,13% konnte keine Datenauswertung durchgeführt werden.

Der häufigste Grund für eine Implausibilität war eine fehlende Zustandsbeschreibung bei einer dokumentierten Intervention, nicht jedoch umgekehrt (nur max. 1,3% der Fälle).

Die Einschätzungen der Pflegeexperten wichen stark voneinander ab (Kendall’s W = 0,119), genau so wie diejenigen der Pflegeexperten untereinander (Kendall’s W = 0,114).

Diskussion: In fast einem Viertel der Dokumente ergab die automatisierte Plausibilitätsprüfung ein Ergebnis von „weder noch“ plausibel und schlechter. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Benennung von Patientenzuständen, als die Auslöser von Interventionen, in der Pflegedokumentation nicht hinreichend waren. Die Ergebnisse zeigten auch, dass die Einschätzung der Experten untereinander und vom Expertensystem stark abwich. Erstere Abweichung steht im Einklang mit Studien über medizinische Diagnosen [5]. In der automatisierten Plausibilitätsprüfung und den Expertenprüfung wurden keine unstrukturierten Daten, die bislang einen großen Teil der Dokumentation ausmachen, berücksichtigt. Eine Pflegedokumentation sollte daher möglichst viele strukturierte Elemente enthalten, um automatisiert prüfbar zu werden. Um die Plausibilität grundsätzlich zu verbessern, müssen Interventionen mit Zustandsbeschreibungen verknüpft werden.


Literatur

1.
Projektgruppe P 42 der MDK-Gemeinschaft. Grundsatzstellungnahme Pflegeprozess und Dokumentation. Handlungsempfehlungen zur Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Pflege. 2005. Online verfügbar unter http://www.mds-ev.org/media/pdf/P42_Pflegeprozess1.pdf, zuletzt aktualisiert am 06.04.2005, zuletzt geprüft am 12.10.2010. Externer Link
2.
Schmitz A. Plausibilitätsregeln eDMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. 2008. Online verfügbar unter: http://www.vdek.com/vertragspartner/DMP/diabetes2/plausibilitaetsrichtlinie/anl_3_dm1_und_2_edmp.pdf, zuletzt aktualisiert am 28.01.2008, zuletzt geprüft am 25.10.2010. Externer Link
3.
Roßbruch R. Die Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht. Pflegerecht. 1998;(6):126-–131.
4.
Frommann U. Die Methode „Lautes Denken“. Online verfügbar unter: http://www.eteaching.org/didaktik/qualitaet/usability/Lautes%20Denken_eteaching_org.pdf, zuletzt geprüft am 15.4.2011 Externer Link
5.
Stausberg J, Lehmann N, Kaczmarek D, Stein M. Reliability of diagnoses coding with ICD-10. International Journal of Medical Informatics. 2008;77(1):50-?57.