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Schätzung von Inzidenzen in Routinedaten der Gesetzlichen Krankenkassen in Abhängigkeit der Länge des diagnosefreien Vorlaufs
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Veröffentlicht: | 20. September 2011 |
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Hintergrund: Mittels Routinedaten werden vielfach Prävalenzen und Inzidenzen berechnet. Eine gängige Vorgehensweise ist zunächst die Definition von prävalenten Fällen unter Anwendung einer geeigneten krankheitsspezifischen Falldefinition. Die Definition der inzidenten Fälle erfolgt aus den prävalenten unter Ausschluss der Fälle mit einer Krankheitsdokumentation in einem definierten vorangehenden Zeitraum. Vielfach wird aufgrund begrenzter Datenverfügbarkeit ein Zeitraum von einem Jahr gewählt, mitunter sogar kürzer. Am Beispiel zweier ausgewählter Erkrankungen, Diabetes mellitus und Kolorektalkarzinom, soll der Einfluss der Länge des krankheitsfreien Zeitraums auf die Inzidenzschätzung gezeigt werden.
Methoden: Datenquelle ist die Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen. Alle von 2000 bis 2008 durchgängig Versicherten im Alter von >17 Jahren wurden in die Analyse eingeschlossen (N=144,907). Mittels der ICD-10 Diagnosen mit Modifikator ‚G’ (gesicherte Diagnose) aus dem ambulanten und stationären Bereich werden Fälle mit Diabetes mellitus (E10-E14) oder Kolorektalkarzinom (C18-C20) erfasst. Präsentiert wird die Überschätzung der Inzidenz (in %) in Abhängigkeit der Länge des krankheitsfreien Vorlaufs.
Ergebnisse: Verglichen mit der Inzidenzschätzung bei 8-jähriger krankheitsfreier Periode (Daten stehen von 2000/I bis 2007/IV zur Verfügung), werden die Inzidenzen für Diabetes und Kolorektalkarzinom um 40% bzw. 23% bei 1-jährigem und 5% bzw. 9% bei 5-jährigem krankheitsfreiem Vorlauf überschätzt. Um eine Überschätzung der Inzidenz von max. 10% zuzulassen, müsste beim Diabetes ein krankheitsfreier Vorlauf von mindestens 13 Quartalen (3,25 Jahren), beim Kolorektalkarzinom von mindestens 17 Quartalen (4,25 Jahren) angesetzt werden.
Diskussion: Die hier ausgewählten Krankheiten dienen nur als Beispiele zur Anwendung der Methodik, deshalb wurde auf differenzierte krankheitsspezifische Falldefinitionen verzichtet. Für eine Prävalenz- und Inzidenzschätzung ist eine krankheitsspezifische Falldefinition unabdingbar. Die hier dargestellten Überschätzungen der Inzidenz sind somit nicht nur abhängig vom Zeitfenster, das für einen krankheitsfreien Vorlauf gewählt wird, sondern auch von der ausgewählten Erkrankung sowie der krankheitsspezifischen Falldefinition. In Abhängigkeit der jeweiligen Erkrankung sollten kurze Beobachtungszeiträume zur Feststellung krankheitsfreier Intervalle für die Inzidenzschätzung mit Vorsicht gewählt werden, da Inzidenzen überschätzt werden können.