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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Einsatz von CDISC in der Telematikplattform für medizinische Forschungsnetzwerke (TMF e.V.)

Meeting Abstract

  • Wolfgang Kuchinke - Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • Johannes Hüsing - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Ralf Weber - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • Rolf Meinert - Universitätsklinikum Mainz, Mainz
  • Sven Wiegelmann - Universität Köln, Köln
  • Ronald Speer - Universität Leipzig, Leipzig
  • Philippe Verplancke - XClinical GmbH, München
  • Johannes Drepper - TMF e.V., Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds262

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds236.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Kuchinke et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Zunehmend findet Forschung in vernetzten Strukturen statt. Dies schließt die Zusammenarbeit von Forschern in großen und verteilten Gruppen, den Austausch von Daten und Dokumenten in klinischen Studien und die Bereitstellung einer adäquaten Telematikinfrastruktur mit ein. Besonders die klinische Forschung kann nicht mehr als ein isoliertes Unternehmen betrachtet werden, denn die zunehmend durch Electronic Data Capture (EDC) erfassten Patientendaten in klinischen Studien müssen mit Labordaten aus Laborinformationssystemen (LIS), genomischen Daten, Versorgungsdaten und mobil aufgezeichneten Daten kombiniert und integriert werden. Mit den neuen GRID-Initiativen (z.B. MediGRID, caBIG) erreicht die Verteiltheit von Forschungsprozessen und Daten eine höhere Ebene. Diese Situation macht eine umfassende Integration auf der Anwendungsebene erforderlich, also besonders die Zusammenführung von Daten aus Studiensoftware, Laborsystemen, Gen- und Gewebedatenbanken, mobilen Erfassungssystemen und Versorgungsdokumentationssystemen (Krankenhausinformationssystemen oder Praxismanagementsystemen).

Um die Grundlage für strukturell vernetzte Forschungsprojekte im medizinischen Bereich abzusichern wurde die Telematikplattform für medizinische Forschungsnetzwerke (TMF e.V.) gegründet [1]. Die TMF ist eine Metaorganisation, deren Aufgabe darin besteht, Lösungen für logistische, technische und Verwaltungsprobleme für klinische Forschungsnetzwerke anzubieten. Ihre Mitglieder umfassen unter anderen die Koordinierungszentren für klinische Studien (KKS) und die Kompetenznetze in der Medizin (KN) [2]. Da eine wichtige Aufgabe der TMF die Entwicklung von Strategien und Lösungen zur Integration des Datenaustauschs in Forschungsnetzen ist, stellte sich die Frage, mit welchem Datenstandard sich die Durchführung klinischer Studien am besten unterstützen lässt.

Material und Methoden

Auf der Basis einer Analyse der Telematikinfrastruktur der TMF und von Anwendungsfällen für Standards zum Datenaustausch zwischen den Mitgliedern von Forschungsnetzen sind von der TMF einige Projekte zur Integration unterschiedlicher Anwendungen durch einen Austauschstandard initiiert worden. Bei der Untersuchung der Anwendungsfälle sind insbesondere Softwarelösungen im „Life Cycle“ von klinischen Studien analysiert worden. Beschrieben werden die Projekte der TMF, die CDISC [3] als Datenstandard einsetzen.

Ergebnisse und Diskussion

Es gibt im Prinzip zwei Arten, in denen Netzwerke eine Telematikinfrastruktur implementieren können:

1.
Aufbau einer neuen Infrastruktur vom Reißbrett. Dies beinhaltet unter anderem Prozessanalysen und darauf aufbauend Gestaltung und Entwicklung von neuen Softwarelösungen. Diese Vorgehensweise erfordert viele Ressourcen und ist deshalb teuer. Als Ergebnis ist aber eine optimal angepaßte IT-Infrastruktur zu erwarten (z.B. caBIG). Hierbei ist es vorteilhaft überwiegend auf Open Source–Lösungen (z.B. VisiTrial, Linux,…) oder auf offene Komponenten zurückzugreifen (Web Services, PHP, XML, Java).
2.
Etablierung einer heterogenen Infrastruktur. Erwerb von professionellen Softwaresystemen (z.B. eResNet, MACRO, secuTrial, XTrial), die zusammen mit Eigenentwicklungen (orgDB, CAP-Netz) und Open Source-Lösungen (PhOSCo, Linux) eingesetzt werden. Die Vorteile liegen bei dieser Vorgehensweise in der hohen Qualität kommerzieller Systeme, deren Zuverlässigkeit und die Unterstützung durch die Firmen bei Implementierung, Test und Validierung. Der Nachteil liegt in den unterschiedlichen Datenmodellen und proprietären Standards der Systeme, die eine Integration unterschiedlicher Applikationen und Datenformate notwendig machen.
3.
Eine reine auf der Anschaffung von professionellen Softwaresystemen basierende Infrastruktur ist für den akademischen Forschungsbereich zu teuer und auch zu unflexibel. Insbesondere die Anforderungen einiger KN an die Datenmodelle oder den Ablauf ihrer klinischen Studie lassen sich zum Teil nur schwer mit kommerziellen Lösungen umsetzen.

Bei der Etablierung ihrer IT-Infrastruktur gingen die Verbünde der TMF den zweiten Weg. Dies ermöglichte es den Verbünden, schon von Beginn an, also mit der Anschaffung der Software, papierlose klinische Studien in hoher Qualität und auf professionellem Niveau durchzuführen. Als Eigenentwicklungen wurden im Laufe der Zeit ein Pseudonymisierungsdienst, klinische Dokumentationsysteme, mobile Erfassungssysteme und Content Managementsysteme (CMS) eingesetzt und müssen integriert werden. Bedingt durch den Bedarf nach überregionaler und interdisziplinärer Kooperation zwischen den verschiedenen Studienpartnern und Netzwerken, ergibt sich für die TMF ein wachsender Bedarf an Standards für den Daten- und Metadatenaustausch zwischen ihren Softwarelösungen. Als erstes wurde die Bedeutung von Standards für den Datenaustausch im Studienlebenszyklus („Study Life Cycle“) untersucht. Der Study Life Cycle umfaßt den gesamten Prozeß einer klinischen Studie, beginnend mit der Erstellung des Studienprotokolls und endend mit der Einreichung der Daten an eine Behörde oder der Veröffentlichung des Studienergebnisses. Es konnten eine Anzahl wichtiger Anwendungsfälle für den CDISC-Standard ermittelt werden: (1) Migration (z.B. Austausch von Studienmetadaten mit CDISC-ODM), (2) Archivieren von Studien (CDISC-ODM), (3) Analyse, Review und Einreichen von Studiendaten (CDISC-SDTM), (4) Import von klinischen Daten aus externen Systemen (z.B. LIS, KIS) (CDISC-ODM / LAB und Fremdformate). Die Anwendungsfallanalyse hat die TMF Netzwerke davon überzeugt, dass es besonders die akademische Forschung ist, die am meisten vom Einsatz von CDISC profitieren kann. Indem ein Standard für den Daten und Metadatenaustausch verwendet wird, können viele Studienprozesse automatisiert, Datenquellen zusammengeführt und eine wirkungsvollere Durchführung klinischer Forschung ermöglicht werden. Deshalb hat die TMF eine Anzahl von Projekten initiiert, in denen CDISC einen zentralen Rolle spielt:

CDISC-Projekte der TMF

1.
Pseudonymisierungsdienst für klinische Studien (PID-Generator). Als eine Verbindung des Pseudonymisierungsdienstes mit EDC Systemen (Datenimport) wurde ein auf ODM basiertes Interface zum PID Generator (Patientenidentifikationsdienst) für den Pseudonymisierungsdienst entwickelt.
2.
Erfolgreicher Austausch von ganzen klinischen Studien (Daten und Metadaten), inklusive Studienstruktur, administrative Daten, etc. zwischen verschiedenen EDC Systemen („Proof of Concept“). Für diesen Test wurde eine klinischer Studie im EDC System MACRO (InferMed) erstellt, als CDISC ODM-Datei exportiert und in das EDC System XTrial (XClinical) importiert. Der Metadatenaustausch wurde erfolgreich durchgeführt, wobei die Exportdatei mit einigen Korrekturen und die Addition einer einfachen „Vendor Extension“ benötigte.
3.
Transformationstool für die Umwandlung von ODM in SDTM (Entwicklung). Eine Anforderungsanalyse und eine Prozessbeschreibung wurde als Basis für die Entwicklung eines Hilfsprogramm erstellt, um klinische Daten von dem hierarchischen und CRF-basierten ODM Format in das tabellenorientierte, leicht analysierbare SDTM Format zu konvertieren. Die Programmierung der Applikation wird von XML4Pharma durchgeführt.
4.
Automatische Erstellung standardisierter Berichte mit SAS-Makros (Entwicklung). Als Basis für die Auswertung dienen die Studiendaten im SDTM-Format.
5.
Elektronisches Archivieren von medizinischen Studiendaten und Dokumenten (Machbarkeitsanalyse). Klinische Studiendaten und Dokumente müssen nach Fertigstellung oder nach Abbruch einer klinischen Prüfung langfristig gespeichert, also archiviert werden. Da Archivierung alle Arten von Quellendaten, CRFs, Patientendatensätze, Pseudonymisierungslisten, Queries, usw. umfaßt, wird die Archivierung von digitalen Daten und Dokumenten eine bedeutende Aufgabe für die klinische Forschung werden. Die TMF hat deshalb eine detaillierte Untersuchung begonnen, um die Anwendung und die Möglichkeiten von verschiedenen Formaten und Standards, inklusive CDISC, für die Archivierung zu evaluieren. Weil der Hauptfokus bei der Archivierung auf der Systemunabhängigkeit und der langfristigen Verfügbarkeit der Daten und Dokumente für Reviews und Metaanalysen liegt, kann CDISC hier eine wichtige Rolle spielen. Ein wichtiger Aspekt ist die Beurteilung der Fähigkeit eines Standards, die legale Compliance während langfristiger Speicherung sicherzustellen und die Verfügbarkeit der Archivinformation für spätere Reviews und Analysen.
6.
Standardisierte Erstellung von Studienprotokollen (Evaluation). Ein strukturiertes Studienprotokolldesign und eine kooperative Protokollgenerierung gewinnt mit der zunehmenden Verbreitung von elektronischen klinischen Studien in der akademischen Forschung an Bedeutung. Das Studienprotokoll ist das zentrale Dokument für jede klinische Prüfung. Es beschreibt die wissenschaftliche Fragestellung, wie auch den Verlauf der Studie. Das Projekt untersucht die verschiedenen Arten von Studienprotokollen in den Netzwerken und entwickelt Empfehlungen für ein strukturiertes, standardbasiertes Protokolldesign. Dabei soll durch Einbindung einer Ontologie der Gebrauch einer einheitlichen Terminologie sichergestellt werden. In diesem Kontext wird das „Trial Design Model“ der CDISC „Protocol Representation Group“ ausgewertet werden.

Literatur

1.
http://www.tmf-ev.de
2.
Kuchinke W, Ohmann C. Die Telematikplattform des BMBF - Softwareunterstützung klinischer Studien: die Such nach optimalen Softwarelösungen. DGPharm News 4: 65-68 (2001).
3.
http://www.cdisc.org