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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Risikoscreening der koronaren Herzkrankheit unter ökonomischen Gesichtspunkten

Meeting Abstract

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  • Björn Stollenwerk - Universität Köln, Köln
  • Karl Lauterbach - Universität Köln, Köln

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds032

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds156.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Stollenwerk et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Durch primärpräventive Maßnahmen ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit an der koronaren Herzkrankheit (KHK) zu erkranken zu reduzieren [1]. Aus diesem Grunde wurden in den letzten Jahren verstärkt gesundheitsökonomische Analysen durchgeführt, in denen untersucht wurde, ob Primärprävention zur Vermeidung der KHK ökonomisch sinnvoll ist [1], [2], [3], [4]. Die bisherigen Analysen zeigen die steigende Relevanz von Evaluationen auf diesem Gebiet, decken das breite Spektrum spezieller Fragestellungen jedoch nicht ab.

Im Folgenden wird untersucht, wie „gut“ ein KHK-Risikoscreening sein muss, damit es unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll ist, Teile der Bevölkerung zu screenen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Personen mit höherem KHK-Erkrankungsrisiko im Anschluss an das Screening Statine als primärpräventive Maßnahme erhalten. Aufgrund der politischen Relevanz findet die Analyse aus der Perspektive der Sozialversicherungen statt. Die Kosten werden in Euro, der Nutzen in qualitätsadjustierten gewonnenen Lebensjahren (QALYs) gemessen. Beispielhaft wird die Framingham-Risikogleichung verwendet, um zu prüfen, ob es sich mit den bereits existierenden Screeningverfahren auszahlen würde, ein Screening durchzuführen.

Material und Methoden

Um die Fragestellung zu beantworten, wird das Markovmodell von Stollenwerk [5] verwendet. Die Analyse findet kohortenspezifisch statt (Kohorten gleichen Alters und Geschlechts, Screeningalter 30, 45 und 60 Jahre). Die Güte eines Screeningverfahrens wird im Markovmodell durch die Kombination aus Sensitivität und Spezifität ausgedrückt. Unter der Sensitivität wird dort die Wahrscheinlichkeit verstanden, dass einer Person ein hohes KHK-Erkrankungsrisiko zugewiesen wird, unter der Bedingung, dass sie innerhalb der ersten 10 Jahre nach dem Risikoscreening an der KHK erkrankt. Analog bezeichnet die Spezifität die Wahrscheinlichkeit, ein geringes Risiko zugewiesen zu bekommen, gegeben dass die KHK im genannten Zeitraum nicht eintritt. Für ausgewählte Sensitivität-Spezifität-Kombinationen wird, unter Vernachlässigung der Screeningkosten, das inkrementelle Kosten-Nutzen-Verhältnis (Kostenzuwachs geteilt durch Nutzenzuwachs) im Vergleich zum Szenario ohne Prävention bestimmt. Die durch die Framingham-Risikogleichung realisierbaren Sensitivität-Spezifität-Kombinationen werden unter Hinzunahme von Screeningkosten weiter analysiert: Es wird untersucht, wie der Trennpunkt, der die Population in Personen mit hohem bzw. geringem KHK-Risiko aufteilt, „optimalerweise“ gewählt werden soll. Dazu wird eine Zahlungsbereitschaft von 40.000 Euro pro gewonnenem QALY zugrundegelegt. Sowohl Kosten als auch Nutzen werden mit einer Rate von 5% diskontiert.

Ergebnisse und Diskussion

In keinem der betrachteten Szenarien kommt es durch Screening in Kombination mit Primärprävention zu Kosteneinsparungen. Es gibt jedoch Szenarien, in denen die zusätzlichen Kosten in einem günstigen Verhältnis zu den zusätzlichen Kosten stehen (ausgehend von einer Zahlungsbereitschaft von 40.000 Euro/QALY). Bei gleicher Kombination aus Sensitivität und Spezifität sind bei Männern die zusätzlichen Kosten mit einem höheren Nutzen verbunden als bei Frauen. Die Geschlechtsunterschiede fallen geringer aus als der Altersunterschied: Bei 30-Jährigen gibt es vergleichsweise wenige Sensitivität-Spezifität-Kombinationen, bei denen ein Screening unter ökonomischen Aspekten sinnvoll ist, bei 45-Jährigen ist der Bereich stark ausgedehnt. Bei 60-Jährigen scheint jedes Präventionsszenario „besser“ zu sein als das Szenario ohne Prävention. Werden Screeningkosten mit einbezogen, so steigt das Kosten-Nutzen-Verhältnis zugunsten des Szenarios ohne Prävention.

Wird die Framingham-Risikogleichung als Screeningverfahren verwendet und Screeningkosten in Höhe von 70 Euro berücksichtigt, so existieren bei 45- und 60-jährigen Männern und Frauen sowie bei 30-jährigen Männern Präventionsszenarien, die dem Szenario ohne Primärprävention zu bevorzugen sind. Bei 30-jährigen Frauen liegt die Kosten-Nutzen-Relation oberhalb der angenommenen maximalen Zahlungsbereitschaft, so dass von einem Risikoscreening abgeraten wird.


Literatur

1.
Hay JW, Sterling KL. Cost Effectiveness of Treating Low HDL-Cholesterol in the Primary Prevention of Coronary Heart Disease. Pharmacoeconomics. 2005; 23(2): 133-141.
2.
Szucs TD, Klose G, Düsing R. Kosteneffektivität von Atorvastatin zur Prävention der koronaren Herzkrankheit. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129: 1420-4.
3.
Delea TE, Jacobson TA, Serruys PW, Edelsberg JS, Oster G. Cost-Effectiveness of Fluvastatin Following Successful First Percutaneous Coronary Intervention. The Annals of Pharmacotherapie. 2005; 39: 610-616.
4.
O'Malley PG, Greenberg BA, Taylor AJ. Cost-effectiveness of using electron beam computed tomography to identify patients at risk for clinical coronary artery disease. American Heart Journal. 2004; 148(1): 106-113.
5.
Stollenwerk B. Ein Markov-Modell zur Ermittlung der Kosten-Nutzen-Relation von Risikoscores zur Prognose der koronaren Herzkrankheit. Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln. Fachbereich Statistik der Universität Dortmund. 2006.