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50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Datenschutzgerechter Aufbau von Biomaterialbanken

Meeting Abstract

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  • Klaus Pommerening - Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz
  • P. Debolz - Hamburg
  • R. Becker - Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds335

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds481.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Pommerening et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Ein wesentlicher Teil gegenwärtiger und mehr noch zukünftiger medizinischer Forschung ist auf die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Proben angewiesen. Diese enthalten molekulargenetische Informationen, die unabhängig sind vom ursprünglichen Behandlungs- oder Forschungsansatz bei ihrer Gewinnung, und bilden somit wertvolles Ausgangsmaterial für Forschungsfragen, die erst in der Zukunft formuliert werden können. Biomaterialbanken sind daher eine wesentliche Komponente von medizinischen Forschungsnetzen und können durch den Wert, den sie repräsentieren, einen wirksamen Beitrag zum dauerhaften Überleben eines solchen Netzes liefern.

Auf der anderen Seite sind die in den Proben enthaltenen Informationen individuell für jeden Menschen und können daher eindeutig mit dem jeweiligen Spender in Verbindung gebracht werden; ihre Anonymisierbarkeit ist für die Gegenwart umstritten und für die Zukunft zu verneinen. Damit wird eine neue Stufe ethischer und persönlichkeitsrechtlicher Probleme mit entsprechendem Klärungsbedarf erreicht, die durch bisherige Datenschutzkonzepte nicht abgedeckt wird.

Die Nutzung von Biomaterial zu Forschungszwecken bewegt sich derzeit oft noch in einer rechtlichen Grauzone; insbesondere ist die weitere Verwendung von Materialsammlungen, die im Behandlungszusammenhang etwa in Universitätskliniken entstehen, rechtlich oft problematisch. Spezifische Gesetzesregelungen für diesen Bereich gibt es bisher nicht, eine umfangreiche rechtliche Analyse und Bewertung überfordert die meisten Forschungseinrichtungen. Für die medizinische Forschung, sei sie grundlagenorientiert, klinisch oder epidemiologisch, ist es aber von essenziellem Interesse, Biomaterialbanken von Grund auf so anzulegen, dass Einschränkungen hinsichtlich potenzieller Forschungsfragen und weiterer Nutzer möglichst gering sind.

Aus diesen Gründen hat die Telematik-Plattform für die medizinischen Forschungsnetze (TMF e. V.) eine großes, mehrteiliges Projekt gestartet, das die Rahmenbedingungen für Biomaterialbanken klären und Organisationsformen für einen rechtlich einwandfreien, insbesondere datenschutzgerechten, Dauerbetrieb definieren soll.

Material und Methoden

Der Nationale Ethikrat (NER) hat in seiner Stellungnahme [1] wesentliche Bedingungen für den Betrieb von Biomaterialbanken definiert; siehe dazu auch die Diskussion in [2]. Diese sind allerdings als konkrete Handlungsanleitung noch zu allgemein gehalten. Auf der anderen Seite hat die TMF-Arbeitsgruppe „Datenschutz und Datensicherheit“ für den Betrieb zentraler Datenbanken in Forschungsnetzen ein generisches Datenschutzkonzept [3], [4] erarbeitet, das direkt als Vorlage für ein konkretes Organisations- und Prozessmodell eines solchen Netzes dienen kann und im Prinzip auch für Biomaterialbanken geeignet erscheint. Dieses generische Datenschutzkonzept hat ein positives Votum der Arbeitskreise „Wissenschaft“ und „Gesundheit“ der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder erhalten.

Es liegt daher nahe, dieses Konzept so zu erweitern, dass auch der Betrieb von Biomaterialbanken abgedeckt wird. Dies ist Aufgabe des Teilprojekts „Datenschutzrechtliche Fragestellungen“ des TMF-Projekts, das in Zusammenarbeit mit Debold & Lux bearbeitet wird. Ausgangspunkt sind datenschutzrechtliche Grundsätze, die von Biomaterialbanken eingehalten werden sollen; sie wurden aufgrund einer Analyse der gegenwärtigen Rechtslage, insbesondere von rechtlichen Zielkonflikten und Gestaltungsspielräumen, sowie einiger bereits mit positiven Datenschutzvoten arbeitenden Biomaterialbanken aufgestellt. Darauf aufbauend werden in verschiedenen Modellszenarien möglichst konkrete Vorgehensweisen, technische und organisatorische Maßnahmen, Nutzungsregelungen und Vertragswerke definiert, die zusammen jeweils ein rechtlich einwandfrei umsetzbares Konzept ergeben; wesentliche Methoden sind die Pseudonymisierung [5], auch mehrstufig, die informationelle Gewaltenteilung (organisatorische Trennung von Datenspeichern und Funktionen sowie Kontrolle der Rückidentifizierung), Etablierung von Überwachungsgremien sowie die Gestaltung der Einwilligungserklärung, insbesondere deren mögliche Abstufungen, und des Widerrufsrechts; die entsprechenden Anforderungen an die Einwilligungserklärung werden in einem weiteren Teilprojekt erarbeitet. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch der Langzeitbetrieb einer Biomaterialbank mit Vorkehrungen für einen möglichen Betreiberwechsel.

Für das gesamte Konzept wird auch wieder das Votum der einschlägigen Arbeitskreise der Datenschutzbeauftragten eingeholt. Ebenso wird der Dialog mit den Ethik-Kommissionen angestrebt. Auf diese Weise sollen die aus dem Projekt resultierenden Empfehlungen zum Aufbau und Betrieb von Biomaterialbanken auf eine breit konsentierte Basis gestellt werden.

Ergebnisse

Erste Diskussionen, auch mit Vertretern der Datenschutzbeauftragten, lassen erwarten, dass das beschriebene Vorgehen zu einem konsensfähigen und praktikablen Konzept führt. Die Feinabstimmung mit den Datenschutzbeauftragten soll im Sommer 2005 stattfinden; das Ergebnis steht daher derzeit noch nicht fest, wird aber im Vortrag referiert. Nach einem positiven Votum der Datenschutzbeauftragten ist zu erwarten, dass – wie schon beim generischen Datenschutzkonzept – ein vereinfachtes Prozedere für die Datenschutzbegutachtung vereinbart werden kann, das sowohl den Betreibern von Biomaterialbanken als auch den Datenschutzbeauftragten und Ethikkommissionen ihre Arbeit merkbar erleichtert. Die Ergebnisse des Projekts sollen in der Schriftenreihe der TMF zeitnah in Buchform veröffentlicht werden.

Diskussion

Das TMF-Konzept für Biomaterialbanken mit seinen Modellvarianten zeigt Möglichkeiten zum rechtlich einwandfreien Umgang mit Biomaterialien. Es eröffnet somit Wege, wertvolle Proben aufzubewahren und für künftige medizinische Forschungsprojekte zur Verfügung zu stellen. Das Vorgehen nach diesem Konzept ist nicht zwingend; Abschwächungen müssten aber durch zusätzliche Maßnahmen an anderen Stellen kompensiert werden; ein solches abweichendes Vorgehen könnte dann auch nicht vom vereinfachten Vorgehen bei der Datenschutzbegutachtung profitieren.

Die Komplexität der Modelle und Prozesse, wie sie durch das Konzept beschrieben werden, wird vor dem Anwender durch weitestmögliche Automatisierung der Vorgänge verborgen und für den Betreiber durch standardisierte Werkzeuge, Checklisten und Musterdokumente handhabbar gemacht.

An den Gesetzgeber richtet sich die Aufforderung, endlich das schon lange von vielen Seiten vorgeschlagene Forschungsgeheimnis zu etablieren sowie das Verbot von nicht explizit erlaubten Rückidentifizierungsversuchen in das geplante Gendiagnostikgesetz aufzunehmen.

Danksagung

Diese Arbeit wird mit Mitteln des TMF e. V. durchgeführt. Wesentliche Mitarbeit kommt aus den vom BMBF geförderten Netzen Nationales Genomforschungsnetz (NGFN), Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (KPOH), Kompetenznetz Maligne Lymphome (KML) und Kompetenznetz Sepsis (SEPNET). Frau Dr. Wellbrock vom Hessischen Datenschutzbeauftragten hat viele wesentliche Ideen in das Projekt eingebracht.


Literatur

1.
Nationaler Ethikrat. Biobanken für die Forschung. 2004 [online verfügbar unter http://www.ethikrat.org/stellungnahmen/stellungnahmen.html]
2.
Wellbrock R. Biobanken für die Forschung. Datenschutz und Datensicherheit 2004; 28: 561-565.
3.
Semler SC, Lux A, Dolle W, Pommerening K. Pseudonymisierung für Forschungsdatenbanken und Register. In: Jäckel A, Hrsg. Telemedizinführer Deutschland 2005. Ober-Mörlen: Medizin Forum, 2004: 209-214.
4.
Reng M, Debold P, Adelhard K, Pommerening K. Generische Lösungen der TMF zum Datenschutz für die Forschungsnetze der Medizin. Im Druck.
5.
Pommerening K. Pseudonyme - ein Kompromiß zwischen Anonymisierung und Personenbezug. In: Trampisch HJ, Lange S, Hrsg. Medizinische Forschung - Ärztliches Handeln. München: MMV Medizin-Verlag, 1995: 329-333.