gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Externe und interne Exposition gegenüber Trihalogenmethanen: eine Querschnittsstudie an Leistungschwimmern

Meeting Abstract

  • Erika Snyder-Schendel - Universität Duisburg-Essen, Essen
  • Thomas Gabrio - Regierungspräsidium Stuttgart, Landesgesundheitsamt, Stuttgart
  • Nils Lehmann - Universität Duisburg-Essen, Essen
  • Karl-Heinz Jöckel - Universität Duisburg-Essen, Essen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds386

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds235.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Snyder-Schendel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Der Einsatz von Chlor gewährleistet in Schwimmbädern schnell und langanhaltend hygienische Wasserverhältnisse aus mikrobiologischer Sicht. Grundlage hierfür liefert das Infektionsschutzgesetz (IfSG, Bundesgesetzbl 2000). Jedoch führt Chlor nach Reaktion mit organischen Substanzen zur Bildung von möglicherweise gesundheitsschädlichen Desinfektionsnebenprodukten (DNP). Hierbei kommt den Trihalogenmethanen (THM), insbesondere dem als kanzerogen eingestuften Chloroform [1] als Hauptfraktion dieser Substanzgruppe, eine besondere Bedeutung als Indikator bei der Abschätzung der Belastung des Badebeckenwassers mit DNP zu. In der DIN 19643 ist ein höchstzulässiger Summen-Regulierungswert für THM im Wasser von 20 µg/L festgelegt. Der MAK-Wert für Chloroform liegt bei 2,5 mg/m3. Neben der vorwiegend inhalativen THM-Aufnahme spielen auch der dermale und orale Resorptionspfad eine Rolle. Bisherige humanbiomonitorische Untersuchungen beschränkten sich auf kleinere Kollektive [2] oder auf die Risikobewertung von Trinkwasser [3]. Größere deutsche epidemiologische Studien über die Art der THM-Aufnahme und Höhe der inkorporierten Belastung liegen nicht vor.

Ziel der vorliegenden Arbeit war einerseits die Ermittlung der externen THM-Belastung in Wasser und Luft, der internen THM-Belastung im Blut von Leistungsschwimmern i. R. eines Humanbiomonitoring sowie die Analyse der Einflussfaktoren auf die interne THM-Langzeitbelastung.

Material und Methoden

Querschnittsstudie an 110 Leistungsschwimmern und 112 Leichtathlethen/Hockeyspieler (Kontrollkollektiv). Einsatz standardisierter Fragebogen für Probanden und Eltern und persönlichem Interview zur Ermittlung persönlicher expositionsrelevanter Verhaltensweisen. Bestimmung der THM-Konzentration im Schwimmbeckenwasser und in der Luft (20 und 150 cm über der Wasseroberfläche) mittels gaschromatografischer Analyse (GC-Analyse). Bestimmung der akuten THM-Konzentration im Blut vor und nach 60-minütigem Training mittels GC-Analyse. Schätzung der THM-Langzeitbelastung über 24 h im Blut unter Einbeziehung der Chloroform-Halbwertzeit und Ermittlung der individuellen THM-Exposition während einstündigem Training. Statistisch epidemiologische Analysen mit Hilfe eines multiplen linearen Regressionsmodells (SAS, Version 8.2).

Ergebnisse

Von 269 angeschriebenen Sportlern nahmen 222 (82,5%) an den Untersuchungen teil. Der Rücklauf der Fragebögen unter den Teilnehmern belief sich auf 90%. Es wurden 110 Exponierte (Formel 1 Alter=14,7 2,8 Jahre) und 112 Nicht-Exponierte (Formel 1 Alter=17,3 3,5 Jahre) untersucht. Die durchschnittlichen THM-Konzentrationen lagen für Wasser bei 9,1 µg/L, für Luft in 20cm über der Wasseroberfläche bei 56 µg/m3 und für Luft in 150 cm bei 51 µg/m3. Unmittelbar vor dem Schwimmtraining wurde ein durchschnittlicher THM-Wert im Blut von 0,08 µg/L, nach dem Training ein durchschnittlicher Wert von 0,5 µg/L nachgewiesen. Somit betrug die mittlere THM-Aufnahme (berechnet auf Chloroform) nach einstündigem Training 0,43 µg/L. Die kumulierte Langzeitbelastung über 24 h unter Berücksichtigung der Chloroform-Halbwertszeit und der Expositionsdaten lag bei 1,95 µg*h/L entsprechend einem geringfügig über dem Wert bei Trainingsbeginn liegenden Tagesmittel. Im Kontrollkollektiv konnte kein THM im Blut nachgewiesen werden. Die Varianzaufklärung durch das kausale Regressionsmodell der THM-Langzeitbelastung im Blut (geschätzte Tagesbelastung) beträgt 46,8%. Standardisierte Effektschätzer [95% Konfidenzintervall] sind für THMWasser -0,14 [-0,39;0,11], für THMLuft 20cm 0,28 [0,05;0,51], für 1. vs. 4. Quartal 0,31 [0,03;0,59], 2. vs. 4. Quartal -0,10 [-0,29;0,09], 3. vs. 4. Quartal -0,08 [-0,51;0,35] sowie für 1. vs. 3 Zentrum 0,05 [-0,17;0,27] und 2. vs. 3 Zentrum -0,42 [-0,83;-0,01].

Diskussion

Selbst nach intensivem Training von Leistungsschwimmern kommt es zu keiner kritischen akuten Belastung mit THM. Das Ergebnis der Regressionsanalyse unterstützt die Hypothese, dass der Hauptaufnahmepfad für die inkorporierte THM-Belastung über die Atemwege erfolgt. Quartalseffekte haben ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die THM-Langzeitbelastung. Der überraschend konstante Nachweis von THM im Blut der Leistungsschwimmer vor dem Training deutet auf eine Akkumulation dieser Substanzgruppe hin. Letztendlich kann zu diesem Zeitpunkt keine Aussage über einen möglichen gesundheitlichen Langzeiteffekt getroffen werden. Hier wären Längsschnittuntersuchungen mit Mehrfachmessungen an kleineren Kollektiven unter Berücksichtigung der bekannten Einflussfaktoren und Belastungspfade sinnvoll. Zur Minimierung der externen DNP-Belastung sollte neben der DIN-konformen Aufbereitung des Schwimmbeckenwassers, eine weitere Hauptbestrebungen der Technik bzw. der Badbetreiber in der Optimierung der Lüftungstechnik in Schwimmhallen und Nebenräumen liegen.

Danksagung

Das diesem Abstract zugrunde liegende Verbundvorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 02WT0072 und 02WT0003 gefördert. Allen beteiligten Kooperationspartnern und insbesondere den Sportlern gilt unser Dank.


Literatur

1.
DFG MAK- und BAT-Werte-Liste 2003. Weinheim: Wiley-VCH Verlag; 2003
2.
Sacré C, Schwenk M, Jovanovic S, Wallner T, Gabrio T. Haloform-Belastung des Badewassers, der Luft und von Schwimmern und Schwimmmeistern in Frei- und Hallenbädern. Arch Badewes1996, 49: 105-109
3.
Cantor KP, Lynch CF, Hildesheim ME, Dosemeci M, Lubin J, Alavanja M, Craun G. Drinking water source and chlorination by-products. I. Risk of bladder cancer. Epidemiology 1998, 9: 21-28.