gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Mittagsschlaf und Nicht-erholsamer Schlaf: Prävalenz und Assoziation mit Erkrankungen

Meeting Abstract

  • A. Stang - Universität Halle, Halle
  • N. Dragano - Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  • S. Moebus - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • S. Möhlenkamp - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • A. Schmermund - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • R. Erbel - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • K.H. Jöckel - Universitätsklinikum Essen, Essen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds179

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds173.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Stang et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Der Mittagsschlaf wird als relevanter Einflussfaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen diskutiert. Während in einer Fall-Kontroll-Studie in Costa Rica bei regelmäßigem Mittagsschlaf (insbesondere mit einer Dauer von >1 h) ein erhöhtes Risiko für den Myokardinfarkt beobachtet wurde [1], zeigte sich in einer Fall-Kontroll-Studie in Athen ein erniedrigtes Risiko bei täglichem Mittagsschlaf von 85 min [2]. Als Gründe für die sich widersprechenden Studienergebnisse werden diskutiert: a) eine Effektmodifikation der Assoziation zwischen Mittagsschlaf und Myokardinfarktrisiko durch die körperliche Aktivität im Wachzustand [1]; b) Confounding durch Komorbidität (z.B. obstruktive Schlaf-Apnoe, die eng mit Hypertonie und Adipositas assoziiert ist) [3], Herzinfarktrisikofaktoren sowie Confounding durch nicht-erholsamen nächtlichen Schlaf. Deutsche bevölkerungsbasierende schlaf-epidemiologische Daten im Zusammenhang mit weiteren Krankheitsrisikofaktoren und klinischen Daten gibt es kaum [4]. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Prävalenz des nichterholsamen Schlafs, des Mittagsschlafs, Assoziationen zwischen nicht-erholsamen Schlaf und Mittagsschlaf sowie Assoziationen zwischen Mittagsschlaf und Erkrankungen in der Bevölkerung des Ruhrgebiets zu untersuchen.

Material und Methoden

Die Heinz Nixdorf Recall Studie, eine laufende prospektive Kohortenstudie an 4.814 männlichen und weiblichen Probanden im Alter von 45-75 Jahren des Ruhrgebiets, enthielt in der Basiserhebung neben einer großen Zahl kardiovaskulärer Risikofaktoren und Erkrankungen auch eine Befragung zum Schlaf [5]. Neben der durchschnittlichen Stundenzahl des Nacht- und Mittagsschlafs wurden die Häufigkeiten von Ein- und Durchschlafstörungen sowie des frühzeitigen morgendlichen Erwachens in den letzten 4 Wochen vor Interview standardisiert befragt. Nach Ausschluss von 17 Probanden mit Alter von 75 Jahren wurden die Prävalenzen bzw. durchschnittlichen Dauern des Nacht- und Mittagsschlaf stratifiziert nach Geschlecht, Alter (45-54, 55-64, 65-74 Jahre) und Vorgeschichte einer bekannten koronaren Herzkrankheit und anderer schwerer Erkrankungen berechnet. Pro Schlaf-Item bestand der Anteil fehlender Informationen weniger als 1%, weswegen die Quote fehlender Werte nicht separat ausgewiesen wird. Zur Ermittlung von nicht-konfundierten Prävalenzunterschieden des Mittagsschlaf und der nächtlichen Schlafstörungen in Abhängigkeit von Komorbiditäten verwendeten wir log-lineare Regression Modelle (PROC GENMOD) und berechneten Prävalenz-Ratios und 95%-Konfidentintervalle. Die Prävalenz-Ratio (PR), adjustiert für Alter und Geschlecht, zeigt hierbei den relativen Prävalenzunterschied zwischen Probanden mit und ohne Komorbidität an.

Ergebnisse

Tabelle 1 [Tab. 1] gibt eine Übersicht zur nächtlichen Schlafdauer, Mittagsschlafhäufigkeit, mediane Mittagsschlafdauer, Gesamtschlafdauer sowie der Prävalenz von Schlafstörungen stratifiziert nach Alter und Geschlecht. In allen Altersgruppen zeigt sich bei Männern eine etwas höhere Prävalenz des regelmäßigen Mittagsschlafs (≥5 mal/Woche) insbesondere im Alter von 65-74 Jahren (32% vs. 27%) und auch eine längere Mittagsschlafdauer als bei Frauen (Median: 60 vs. 30 min). Alle erfragten Formen der nächtlichen Schlafstörungen wurden von Frauen unabhängig vom Alter häufiger angegeben als von Männern. Alle nächtlichen Schlafstörungsformen mit Ausnahme des frühzeitigen morgendlichen Erwachens bei Männern werden mit zunehmendem Alter häufiger angegeben.

Probanden mit den folgenden Erkrankungen machen häufiger regelmäßig Mittagsschlaf als Probanden ohne diese Erkrankungen: Koronare Herzkrankheit (KHK) (Prävalenz-Ratio: PR=1.37, 95%CI 1.11-1.69), arterielle Verschlußkrankheit (PR=1.22, 95%CI. 0.89-1.69), Schlaganfall (PR=1.19, 95%CI 0.88-1.61), Diabetes mellitus (PR=1.07, 95%CI 0.88-1.30), Krebs (PR=1.05, 95%CI 0,83-1.32). Die Prävalenz-Ratio für eine Mittagsschlafdauer von mindestens einer Stunde ist bei KHK-Probanden 1.50 (95%CI 1.12-2.02), d.h. die Prävalenz eines langen Mittagsschlafs ist bei Probanden mit KHK um den Faktor 1.5 größer als bei Probanden ohne KHK. Probanden mit einer Vorgeschichte einer koronaren Herzkrankheit (KHK) berichten häufiger über Durchschlafstörungen (PR=1.25, 95%CI 1.11-1.41) und seltener über Einschlafstörungen (PR=0.93, 95%CI 0.89-0.98) und frühzeitiges Erwachen (PR=0.94, 95%CI 0.90-0.98) als Probanden ohne KHK. Probanden, die regelmäßig mittags schlafen, weisen auch nach Adjustierung für Alter und Geschlecht eine höhere Prävalenz von regelmäßigen Einschlafstörungen sowie frühzeitigem Erwachen auf: PR=1.45 (95%CI 1.19-1.76), frühzeitiges Erwachen: PR=1.33 (95%CI: 1.09-1.61). Diese Assoziationen änderten sich nicht nach Adjustierung für KHK. Durchschlafstörungen zeigten hingegen keine Assoziation mit dem regelmäßigen Mittagsschlaf (PR=1.04 (95%CI: 0.91-1.20).

Diskussion

Die Prävalenz nächtlicher Schlafstörungen ist in allen Altersgruppen bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Der Mittagsschlaf als auch die nächtlichen Schlafstörungen nehmen mit dem Alter deutlich zu. Probanden mit anamnestisch bekannter KHK berichten häufiger über regelmäßigen Mittagsschlaf (insbesondere > 1h) & nächtliche Durchschlafstörungen im Vergleich zu Probanden ohne KHK. Auch Bursztyn et al. fanden, dass Myokardinfarkt-Probanden häufiger Mittagsschlaf machen [6]. Für einige weitere schwere Erkrankungen zeigen sich auch zumindest leichtgradig höhere Mittagsschafprävalenzen. Die Assoziation zwischen Mittagsschlaf und erhöhtem Myokardinfarktrisiko bzw. erhöhter Gesamtmortalität [6] könnte Ausdruck eines Confoundings durch schwerwiegende Erkrankungen sein, insbesondere latente KHK und andere kardiovaskuläre Erkrankungen. Die positive Assoziation zwischen regelmäßigem Mittagsschlaf und Einschlafstörungen bzw. frühzeitigem Erwachen kompliziert zusätzlich die Zusammenhänge zwischen Mittagsschlaf und Gesamtmortalität bzw. Myokardinfarkt-Risiko, da auch nächtliche Schlafstörungen als Risikofaktor für KHK und Gesamtmortalität diskutiert werden.


Literatur

1.
Campos H, Siles X. Siesta and the risk of coronary heart disease: results from a population-based, case-control study in Costa Rica. Int J Epidemiol 2000;29:429-437
2.
Kalandidi A, Tzonou A, Toupadaki N et al. A case-control study of coronary heart disease in Athens, Greece. Int J Epidemiol 1992;21:1074-78
3.
Teramato S, Ouchi Y. Is the siesta associated with sleep apnoe syndrome in the eldery? Arch Int Med 2000;160:710-11
4.
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Nicht erholsamer Schlaf. November 2004. Available at: www.AWMF-online.de, accessed February 2005
5.
Schmermund A, Möhlenkamp S, Stang A et al. Investigative Group. Assessment of clinically silent atherosclerotic disease and established and novel risk factors for predicting myocardial infarction and cardiac death in healthy middle-aged subjects: rationale and design of the Heinz Nixdorf Recall Study. Am Heart J 2002;144:212-218
6.
Bursztyn M, Ginsberg G, Stessman J. The siesta and mortality in the elderly: effect of rest without sleep and daytime sleep duration. Sleep 2002;25:187-191