gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Wissensmanagement in der Medizin mit "Wikis"

Meeting Abstract (gmds2004)

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  • corresponding author presenting/speaker Helge Tobias Kosuch - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Albert J. Porth - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds371

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2004/04gmds371.shtml

Veröffentlicht: 14. September 2004

© 2004 Kosuch et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Ein Wiki ist eine einfache Möglichkeit zur Abspeicherung und gemeinsamen Nutzung von Wissen. Mitarbeiter führen eigene Notizen zu ihren Projekten. Ein Wiki kann die Notizen jedes Mitarbeiters für alle anderen Mitarbeiter des Projektes in geordneter, miteinander verknüpfter Weise nutzbar machen.

Warum Wikis eine große Chance zu erfolgreichem Wissensmanagement darstellen, wird im Folgenden auch durch eine Analyse der Wiki-Prinzipien begründet. Das kürzere und vielleicht überzeugendere Argument ist aber der Erfolg von Wikis in der Praxis. Der erfolgreichste Wiki ist die „Wikipedia" (http://www.wikipedia.org), eine kostenlose Enzyklopädie mit den typischen Themen einer Enzyklopädie. Sie ist ein gewaltiges Projekt zum kollaborativen Aufbau von verknüpftem Wissen. An der Wikipedia arbeiten zurzeit (März 2004) 12.000 Mitarbeiter. Es gibt über 500.000 Enzyklopädie-Artikel mit einer durchschnittlichen Länge von 2000 Zeichen. 2400 neue Artikel kommen täglich hinzu [1].

Wissensmanagement mit Wikis

Ein Wiki ist eine Ansammlung miteinander verknüpfter Internet-Seiten, die jeder Betrachter bearbeiten kann. Auf jeder Seite befindet sich ein Knopf „Diese Seite bearbeiten". Zum Bearbeiten gehört auch, dass jeder Benutzer Text löschen kann.

Ein weiteres wichtiges Element eines Wikis ist das Versionsarchiv. Jede Änderung jeder Seite ist leicht ersichtlich und kann auch rückgängig gemacht werden. Diese Versionisierung führt dazu, dass Wikis funktionieren, trotz des auf den ersten Blick sehr gewagt erscheinenden Prinzips, dass jeder Betrachter jede Seite bearbeiten darf.

Innerhalb Wikis gibt es keine unterschiedlichen Benutzerrechte. Dies ist wesentlich, weil die Verwaltung von Benutzerrechten Systeme umständlich und kompliziert macht. Außerdem würden Benutzerrechte im Zweifelsfall oft lieber zu restriktiv gewählt, was ein System schnell lähmen kann.

Der Zugriff auf den Wiki an sich ist aber oft sehr wohl geregelt. Er kann z. B. auf eine Arbeitsgruppe beschränkt sein.

„Vandalismus" - z. B. das Löschen von Seiten - und Fehl-Bearbeitungen kommen in Wikis vor. Aber sie werden vom nächsten Leser mit einigen Maus-Klicks im Versionsarchiv rückgängig gemacht und die Praxis zeigt, dass die Störungen dadurch gering sind.

Wenn man einen Wiki-Artikel bearbeitet, kann man einen Verweis auf einen anderen einfügen, indem man den Namen des anderen Artikels in den Text schreibt und in doppelte eckige Klammern setzt. Ein Beispiel: [[Symptom-Übersicht Leukämie]]. Der Leser kann jedem Verweis durch einen Mausklick folgen. Wann immer ein Leser merkt, dass ein Verweis hilfreich sein könnte, z. B. auf eine Differentialdiagnose, kann er diesen blitzschnell einfügen. Dadurch fördern Wikis das Entstehen von hochgradig verknüpftem Wissen. Genauso schnell können Fehler korrigiert werden und Bemerkungen und alternative Sichtweisen eingefügt werden. Im Allgemeinen entsteht trotzdem kein unübersichtlicher Text, denn es können immer Teile in einen anderen Artikel verschoben werden, auf den dann nur noch ein Verweis zeigt.

„Korrekturen", die zu Unrecht erfolgen, werden von den anderen Benutzern des Wikis in der Regel schnell entdeckt, denn es gibt ein globales Verzeichnis aller Veränderungen an Wiki-Seiten, das in der Regel von vielen Projekt-Teilnehmern aufmerksam verfolgt wird, schon allein um auf dem neusten Informationsstand zu sein.

Die meisten Wikis bieten eine Suchfunktion. Sie macht den Informationsabruf schnell und einfach: Wozu auch immer man Informationen braucht, man gibt einfach Stichworte in das Suchfeld ein. Dies schafft einen Anreiz für Mitarbeiter, viele ihrer Notizen in den Wiki einzutragen: Mit der Suchfunktion finden sie alles bei Bedarf schnell wieder.

Ein Wiki steht nicht direkt in Konkurrenz zu anderen Informationssystemen innerhalb der Organisation, denn Verweise auf andere Informationssysteme sind eine besondere Stärke von Wikis. Durch ihre freie Form können Wikis sehr gut Übersicht über andere Informationssysteme bieten und als zentrale Anlaufstelle fungieren.

Wikis sind auch geeignet, um ohnehin erstellte Dokumentation besser verfügbar zu machen. Oft enthalten z. B. die Fileserver einer Organisation im Prinzip große Mengen von Informationen, aber ein Großteil davon ist praktisch für die meisten Mitarbeiter nicht verfügbar, z. B. weil die Dokumente als Entwurf in privaten Verzeichnissen liegen oder weil sie nicht ausreichend mit den anderen Dokumenten verknüpft sind und dadurch nur wenige überhaupt von deren Existenz wissen.

Wenn ein Mitarbeiter ein neues Dokument anlegen will, so ist fast immer das eigene private Verzeichnis der erste Ablageort. Zwar besteht oft die Intention, diese Informationen für andere verfügbar zu machen, aber erst wenn das Dokument fertig ist. Leider wird ein beträchtlicher Teil solcher Dokumentation nie wirklich fertig und verbleibt dadurch in den privaten Verzeichnissen versteckt. Wenn Mitarbeiter sich an den Wiki gewöhnt haben, denken sie anders herum, wenn sie etwas notieren wollen: Die erste Annahme für die Ablage von Informationen ist die öffentliche Ablage im Wiki. Nur in Sonderfällen, z. B. bei vertraulichen Informationen, werden die Daten anders abgelegt. „Öffentlich" bedeutet meist eine begrenzte Öffentlichkeit, z. B. die Arbeitsgruppe. Natürlich müssen in einem Wiki alle vorläufigen oder unsicheren Notizen als solche gekennzeichnet werden; aber das sollten Mitarbeiter ohnehin immer tun.

„Wiki" ist ein hawaiianisches Wort und bedeutet schnell. Und genau das fasst gut zusammen, warum Wikis eigentlich so erfolgreich sind: Sie enthalten zwar eigentlich keine geniale einzelne Idee, aber sie sind eine so geschickte Kombination, dass eine sehr einfache, schnelle und praktische Plattform zur Zusammenarbeit entsteht.

Wikis in medizinischen Arbeitsgruppen

Das Rechenzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover richtet zurzeit für viele Arbeitsgruppen jeweils einen eigenen Wiki ein, überwiegend in der medizinischen Forschung.

Auch für Gruppen, deren Mitglieder weltweit verstreut sind, bieten Wikis eine exzellente Möglichkeit zu enger Zusammenarbeit. Auch Probleme der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Zeitzonen werden von Wikis entschärft.

In welchen Projekten der medizinischen Forschung Wikis ein Erfolg werden, lässt sich nicht prognostizieren, weil der Erfolg in erster Linie davon abhängt, dass mindestens eine der Hauptpersonen eines Projektes für die Möglichkeiten eines Wiki begeistert werden kann. Diese Person beginnt dann mit der Arbeit im Wiki, und nach und nach erkennen auch die anderen Projektteilnehmer die Vorteile.

Es stellt sich die Frage, ob lebenskritische medizinische Informationen einem editierbarem Wiki-System entnommen werden dürfen. Veraltete medizinische Informationen oder ein fehlender Hinweis können lebensgefährlich sein. In einem Wiki können Informationen aktualisiert werden und ein Hinweis auf neueste Ergebnisse hinzugefügt werden, in einem Buch nicht. Letztlich ist es für den Mediziner am besten, die Vorteile verschiedener Informationssysteme zu kombinieren.

Es werden auch Wikis angeboten, mit deren Hilfe Projektteilnehmer leicht Informationen nach außen im Inter- oder Intranet publizieren können. In dieser Sonderform kann jedermann die Wiki-Seiten lesen, aber nur die Projektteilnehmer können die Seiten im Wiki-Stil editieren. Hier fungiert der Wiki nicht in seiner vollen Breite, sondern nur als Content Management System (CMS).

Aufbau einer Fachenzyklopädie zum Thema Medizin

Die nicht-kommerzielle Enzyklopädie Wikipedia ist auf dem Weg die weltweite Standard-Quelle für enzyklopädische Informationen zu werden. Über zwei Millionen Internetseiten erwähnen heute bereits Artikel aus der Wikipedia [2] (Stand März 2004). Auch traditionelle Medien verweisen immer häufiger auf Wikipedia-Artikel, jedoch lässt sich diese Zahl wesentlich schwerer messen.

Der große Erfolg der Wikipedia bedeutet, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch eine Fach-Wikipedia zum Thema Medizin großen Erfolg haben könnte. Bisher gibt es keine Wikipedia für Medizin, weder in englischer noch deutscher Sprache. Das Rechenzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover hat ein Wikipedia-System mit derselben Benutzeroberfläche wie die Original-Wikipedia im Betrieb und wird es als Wikipedia für Medizin veröffentlichen und bekanntmachen.

Zusammenfassung

Der große Erfolg von Wikis in vielen Bereichen lässt auch sehr interessante Ergebnisse ihrer Anwendung in der Medizin vermuten.


Literatur

1.
http://www.wikipedia.org/wikistats/EN/ChartsWikipediaZZ.htm
2.
http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Awareness_statistics
3.
Puls C, Bongulielmi L, Henseler P. Leitfaden für den Aufbau einer unternehmensinternen Wissensbasis mit Hilfe von Wiki. ETH, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Zentrum für Produktentwicklung, 2002. Online verfügbar: http://e-collection.ethbib.ethz.ch/show?type=bericht&nr=217 2002.