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Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ)

05.08. - 09.08.2024, Freiburg, Schweiz

Critical Online Reasoning in der medizinischen Ausbildung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jan Zottmann - LMU Klinikum, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Jochen Kuhn - LMU München, Lehrstuhl für Didaktik der Physik, München, Deutschland
  • Martin R. Fischer - LMU Klinikum, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ). Freiburg, Schweiz, 05.-09.08.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocSYM-08-01

doi: 10.3205/24gma193, urn:nbn:de:0183-24gma1937

Veröffentlicht: 30. Juli 2024

© 2024 Zottmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Angesichts zahlreicher Veränderungen in der medizinischen Informationslandschaft steht die medizinische Ausbildung vor der Herausforderung, Studierende mit Fähigkeiten auszurüsten, um sich in dieser Informationslandschaft zurechtzufinden und fundierte Entscheidungen zu treffen [1]. Im Medizinstudium sollten Fähigkeiten zum sogenannten Critical Online Reasoning (COR) [2] erworben werden, um z.B. Informationen aus dem Internet zu Patientenfällen abrufen oder diagnostische Probleme lösen zu können. Ein Mangel an domänenspezifischen COR-Fähigkeiten kann zu fehlerbehaftetem Wissenserwerb führen und damit die Patientensicherheit gefährden. Um diese Fähigkeiten bei Medizinstudierenden effektiv fördern zu können, müssen zunächst valide Messinstrumente entwickelt werden, bevor anschließend die Entwicklung der COR-Fähigkeiten während des Studiums im Detail untersucht wird. Die drei Beiträge des Symposiums entstammen einer Forschungsgruppe, die diese Ziele verfolgt.

1. Task-Entwicklung für die Messung von Fähigkeiten zum Critical Online Reasoning in der medizinischen Ausbildung (A. Stroganova, A. Horrer, J. Kuhn, M. R. Fischer, & J. Zottmann).

Für empirische Studien zur Erfassung von COR-Fähigkeiten in der medizinischen Bildungsforschung spielt die Entwicklung geeigneter Aufgaben/Tasks eine zentrale Rolle. Häufig handelt es sich dabei um problemorientierte Szenarien, die diverse inhaltliche Anforderungen (z.B. im Hinblick auf Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad) erfüllen. Bislang werden solche Tasks typischerweise im Dialog mit Inhaltsexpert*innen entwickelt, die meist auch eine Musterlösung generieren, welche die Basis für die Entwicklung eines Codierschemas darstellt. Die Verfügbarkeit großer generativer Sprachmodelle lässt es attraktiv erscheinen, diesen aufwändigen Prozess durch die KI-gestützte Generierung von Musterlösungen als Grundlage für die Überprüfung und ggf. Korrektur durch menschliche Experten zu vereinfachen. Im Rahmen dieses Beitrags werden medizinische Beispiel-Tasks für die Messung domänenspezifischer COR-Fähigkeiten präsentiert und deren Entwicklungsprozess im Hinblick auf den Erstellungsaufwand und die psychometrische Qualität diskutiert.

2. Aufgabenlösungsprozesse und -strategien beim Critical Online Reasoning von Medizinstudierenden – eine Eye-Tracking Studie (A. Kohmer, V. Klose, & M. Weber).

In früheren Studien wurde gezeigt, dass das Mediennutzungsverhalten den Wissenszuwachs der Studierenden im Verlauf des Medizinstudiums maßgeblich beeinflusst. Methoden wie die Blickbewegungsanalyse (eye-tracking) und retrospektive Interviews (think alouds) können dabei helfen, die Entwicklung der Lösungsstrategien von Medizinstudierenden beim Bearbeiten sowohl domänenspezifischer als auch generischer Aufgaben im Internet zu analysieren. Im Fokus dieses Beitrags stehen entsprechend folgende Forschungsfragen:

1.
Inwiefern unterscheiden sich Studierende mit erfolgreicher und nicht erfolgreicher COR-Leistung in ihren Lösungsstrategien?
2.
Inwiefern beeinflusst eine Vorbildung aus dem medizinischen Bereich die Lösungsstrategien?
3.
Inwiefern findet in den ersten Studienjahren eine positive Entwicklung dieser Lösungsstrategien statt?

3. Narrative und hermeneutisch-rekonstruktive Analysezugänge zum Umgang von Medizinstudierenden mit Online-Quellen (M. Banerjee, C. Schelle, A. Touzos, D. Braunheim, & O. Troitschanskaia).

Einen qualitativen Zugang zum Umgang Medizinstudierender mit Internet-basierten Tasks zur Erfassung domänenspezifischer COR-Fähigkeiten stellen die narrative Analyse [3] und die rekonstruktive Hermeneutik dar. In diesem Zusammenhang stellen sich insbesondere folgende Forschungsfragen:

1.
Inwiefern erkennen Medizinstudierende bei der Bearbeitung von domänenspezifischen COR-Tasks die in den Online-Quellen enthaltenen narrativen Frames sowie latenten Bedeutungsstrukturen?
2.
Inwiefern übernehmen die Studierenden in ihren Antworten bei der Aufgabenbearbeitung die in den Online-Quellen enthaltenen „leads“ unreflektiert oder hinterfragen diese kritisch?

Pilotstudien mit generischen COR-Tasks zu medizinrelevanten Themen (z.B. Gesundheitsförderung durch E-Bikes) haben gezeigt, dass sich Medizinstudierende der in Online-Quellen enthaltenen latenten Bedeutungsgehalte oft nicht bewusst sind und deren normative Deutungen etwa im Hinblick auf bestimmte Personengruppen in ihren Antworten unreflektiert reproduzieren.


Literatur

1.
Molerov D, Zlatkin-Troitschanskaia O, Nagel MT, Brückner S, Schmidt S, Shavelson R. Assessing university students’ critical online reasoning ability: A conceptual and assessment framework with preliminary evidence. Front Educ. 2020;5:577843. DOI: 10.3389/feduc.2020.577843 Externer Link
2.
Wiblom J, Rundgren CJ, Andree M. Developing Students’ Critical Reasoning About Online Health Information: a Capabilities Approach. Res Sci Educ. 2017;49:418-427. DOI: 10.1007/s11165-017-9674-7 Externer Link
3.
Banerjee M, Zlatkin-Troitschanskaia O. The gap between knowledge and belief: Narrative, affect and students’ deeper learning in higher education. Stud High Educ. 2021;46(10):2087-2098. DOI: 10.1080/03075079.2021.1953330 Externer Link