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Ad-hoc-Anvertrauen, Supervisionsbedarf und angewandte Coping-Strategien von Assistenzärzt*innen: Eine qualitative Studie
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Veröffentlicht: | 30. Juli 2024 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Die Balance zwischen der Rolle von Assistenzärzt*innen als Gesundheitsdienstleister und Lernenden ist eine ständige Herausforderung in der ärztlichen Weiterbildung. Während Ad-hoc-Anvertrauen klinischer Tätigkeiten in diesem Kontext untersucht wurde, ist wenig über die Wahrnehmungen von Assistenzärzt*innen in Bezug auf Anvertrauen von klinischen Tätigkeiten, dem Bedarf an Supervision und Bewältigungsstrategien bei inadäquatem Anvertrauen bekannt. Unsere Studie untersucht die Perspektiven der Assistenzärzt*innen zu diesen Aspekten mit potenziellen Auswirkungen auf Ad-hoc-Anvertrauensentscheidungen am Arbeitsplatz sowie das Wohlbefinden der Assistenzärzt*innen.
Methoden: Wir führten halbstrukturierte Interviews mit zwölf Assistenzärzt*innen aus verschiedenen Weiterbildungsstätten und -settings durch. Die Assistenzärzt*innen waren alle in einer alterspsychiatrischen Rotation. Die Interviews wurden zwischen Januar und März 2022 durchgeführt. Wir verwendeten eine thematische Analyse an, um die Daten im Rahmen eines konstruktivistischen Forschungsparadigmas auszuwerten.
Ergebnisse: Wir identifizierten vier übergreifende Themen. Diese bezogen sich auf Ad-hoc- und implizite Anvertrauensentscheidungen am Arbeitsplatz, Wahrnehmung der Supervision aus Sicht der Assistenzärzt*innen, angewandte Bewältigungsstrategien bei inadäquatem Anvertrauen, und ihre Vorschläge zur Verbesserung. Anvertrauensentscheidungen waren in organisatorische Prozesse eingebettet. Überforderung durch Anvertrauen (‘over-entrustment’) wurde hauptsächlich durch situative Anforderungen getrieben, wobei die Assistenzärzt*innen sich oft im klinischen Arbeitsumfeld „allein gelassen“ fühlten. Wahrgenommene optimale Supervision umfasste die angemessene Verfügbarkeit von Supervidierenden und explizite klinische Entscheidungsfindung in einer psychologisch sicheren Umgebung. Aspekte wahrgenommener, suboptimaler Supervision bezogen sich auf verzögertes Feedback, unzureichende Zeit für Supervision, ambivalente Kommunikationsstile und intransparente klinische Entscheidungsfindung. Die Assistenzärzt*innen wandten problemorientierte, kognitive und emotional fokussierte Bewältigungsstrategien an. Ihre Vorschläge zur Verbesserung umfassten Curriculums-bezogene Aspekte, Personalausstattung und Qualität der Supervision.
Diskussion: In der ärztlichen Weiterbildung, in der Assistenzärzt*innen aktive Beitragende zur Aufrechterhaltung von Gesundheitsdienstleistungen als voll funktionsfähiges Personal sind, ist es entscheidend, die organisatorischen und kontextuellen Faktoren von Anvertrauen und Supervision zu berücksichtigen. Die Analyse und Anpassung dieser Faktoren, sowie die Vermittlung von effektiven Bewältigungsstrategien für wahrgenommenes ‘over-entrustment’ scheint eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von kompetenzbasierten Weiterbildungsprogrammen und die Förderung des Wohlbefindens der Assistenzärzt*innen zu sein.