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Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ)

05.08. - 09.08.2024, Freiburg, Schweiz

„…ich fand es unangemessen, die Verletzung anzusprechen.“ Das Thema der häuslichen Gewalt in der medizinischen Ausbildung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Eva Schönefeld - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Steffen Roßlenbroich - Universität Münster, Klinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie, Münster, Deutschland
  • Helmut Ahrens - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Alberta Ajani - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Jan Siebenbrock - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Theresia Lobe-Furth - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Bernhard Marschall - Universität Münster, Institut für Medizinische Ausbildung und Studienangelegenheiten, Münster, Deutschland
  • Bettina Pfleiderer - Universität Münster, Klinik für Radiologie, AG Cognition and Gender, Münster, Deutschland

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ). Freiburg, Schweiz, 05.-09.08.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV-09-05

doi: 10.3205/24gma040, urn:nbn:de:0183-24gma0400

Veröffentlicht: 30. Juli 2024

© 2024 Schönefeld et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Dargestellt wird ein chirurgisches Pilotprojekt im Rahmen des EU-Projektes VIPROM [https://viprom-cerv.eu/], in welchem wir seit 4 Semestern für eine Semesterkohorte von Studierenden der Humanmedizin im 3. klinischen Semester ein 2-stündiges Seminar anbieten, das sich mit der Identifizierung, Dokumentation und Kommunikation von häuslicher Gewalt beschäftigt [https://training.improdova.eu/de/trainingsmodule-fur-den-gesundheitssektor/]. Ziel der hier vorliegenden Studie ist die Evaluation des Lehrerfolgs im Rahmen einer Prüfungsleistung.

Methoden: Das 2-stündige Seminar ist curricularer Bestandteil der Vorbereitungswoche auf die chirurgisch-operativen Blockpraktika. Nach den Blockpraktika erfolgt im Folgesemester eine Parcoursprüfung als Lernstandserhebung mit Feedback.

Wir implementierten im Wintersemester 23/24 erstmalig einen Fall von häuslicher Gewalt: Einer/m Simulationspatient*in, die am 1. postoperativen Tag nach laparoskopischer Appendektomie visitiert werden von den Studierenden soll, schminkten wir Prellmarken im Gesicht. Gemessen wurde wie häufig die Studierenden selbst angaben, dass sie die Kopfverletzung angesprochen haben. Zudem gab es im Feedbackseminar dazu Austausch und in einem kurzen Fragebogen folgende Fragen:

  • Ist Ihnen in der Situation im Raum die Kopfverletzung aufgefallen?
  • Haben Sie den Plan entwickelt, die Kopfverletzung anzusprechen?
  • Haben Sie die Patient*in darauf angesprochen?

Wir werteten die Messpunkte deskriptiv statistisch aus; die Freitextanalyse erfolgte qualitativ.

Ergebnisse: Die Auswertung ergab, dass 84 (64,1%) von insgesamt 131 Teilnehmenden an der Parcoursprüfung zunächst den Fragebogen beantwortet haben. Insgesamt 75% (n=63) der Studierenden haben die Kopfverletzung wahrgenommen. Einen Plan, die/den Simulationspatient*in auf die Prellmarken am Kopf anzusprechen, haben dann lediglich 27,4% der Studierenden entwickelt, 52,4% entwickelten keinen Plan und 15,5% waren unsicher. Die Studierenden, die den Plan entwickelt hatten (27,4%), sprachen die Simulationspatient*innen auch darauf an.

In der qualitativen Analyse fielen Aussagen, wie zum Beispiel, dass die Studierenden es unangemessen fanden, die Kopfverletzung anzusprechen, da sie die Prellmarken außerhalb der Rolle der Simulationspatient*innen interpretiert haben. Vorrangig findet sich hier psychologisch gesehen eine Verschiebung der Verantwortung.

Diskussion: Lediglich jede/r vierte Studierenden (27,4%) spricht den Verdacht auf häusliche Gewalt an. Es bedarf, auch aufgrund der qualitativen Auswertung der Freitexte, mehr Sicherheit in der Identifizierung von Befunden, die den Verdacht auf häusliche Gewalt implizieren. Im Rahmen des EU-Projektes werden wir auf diese Bedürfnisse weiter eingehen und ein breites Spektrum von weiteren Lehrformaten entwickeln.