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Ursachen der An- und Abwesenheit von Studierenden in Lehrveranstaltungen ohne Anwesenheitspflicht
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Veröffentlicht: | 11. September 2023 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Lehrveranstaltungen im Modellstudiengang Medizin der Universität Bielefeld unterliegen – anders als an den meisten anderen Standorten in Deutschland – teilweise keiner Anwesenheitspflicht. Dies betrifft vor allem Seminare aber auch Kleingruppenformate.
Von Lehrenden wurde im SoSe 2022 eine geringe Teilnahmequote in manchen Veranstaltungen zurückgemeldet. Daher wurde in einem Pilotprojekt im WiSe 2022/23 ein Bonuspunkteprogramm für die Studierenden im 3. Fachsemester eingeführt: Bei Teilnahme an mindestens 80% der nicht anwesenheitspflichtigen Seminare und Kleingruppenformate, konnten Studierende bis zu 10% der erreichbaren Punkte in den Modulprüfungen zusätzlich erhalten.
Das Programm, sowie Gründe der Studierenden für die An- oder Abwesenheiten in Lehrveranstaltungen, wurden evaluiert.
Methoden: Die Datenerhebung erfolgte mittels Fragebögen und einer Fokusgruppe unter Studierenden und Lehrenden, die Auswertung mittels deskriptiver Statistiken und der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [1].
Ergebnisse: Ein Hauptgrund für die Abwesenheit der Studierenden in Lehrveranstaltungen liegt in der Terminfülle und dem Stoffumfang. Entscheidungskriterien für bzw. gegen die Teilnahme umfassen Erfahrungen aus bisherigen Veranstaltungen, Veranstaltungsbeschreibungen sowie Abwägungen zur Effizienz der Teilnahme (bspw. lange Anfahrt zu Einzelterminen).
Das Bonuspunkteprogramm stieß bei den Studierenden auf positive Resonanz, in der quantitativen Befragung (N=42) sprachen sich 93% für eine Weiterführung aus. Genannte positive Aspekte umfassten einen subjektiv wahrgenommen positiven Lerneffekt durch eigene Anwesenheit und bei Erreichen der geforderten Quote mehr Sicherheit bezüglich des Bestehens der Prüfungen. Als negativ wurde empfunden, dass das Programm die Entscheidungsfreiheit zur Teilnahme einschränke, dazu motiviere, krank zu Uni zu kommen und keinen Einfluss auf die didaktische Qualität der Lehre habe.
Die Lehrenden begrüßten die durch das Programm gesteigerte Anwesenheit, bemerkten aber, dass es die Eigenverantwortung der Studierenden untergrabe und eine Sekundärmotivation sei. Insgesamt wurde auch seitens der Lehrenden eine Fortsetzung des Programms gewünscht (59%).
Das Bonuspunkteprogramm wurde während der Pilotphase von 94,6% der Studierenden genutzt und in 4 Prüfungen 221-mal angewendet. In 5,4% dieser Fälle wurde durch die Anwendung der Punkte eine sonst nicht bestandene Prüfung als bestanden bewertet.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Gründe für die Teilnahme an freiwilligen Veranstaltungen vielfältig sind und Anreize zur Steigerung der Anwesenheit positive und negative Aspekte aufweisen. Es erscheint möglich, die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen mittels positiver Anreize anstelle einer Anwesenheitspflicht zu steuern.
Take Home Messages: Studierende wissen die Entscheidungsfreiheit zur Anwesenheit in Lehrveranstaltungen zu schätzen. Mittels eines Bonuspunkteprogramms lässt sich die Anwesenheitsquote steigern.