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Professionelle Identität und interprofessionelle Kooperation: Eine Grounded Theory Studie zur Konstruktion professioneller Identität neuer Berufsgruppen vor dem Hintergrund interprofessioneller Kooperation im perioperativen Kontext
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Veröffentlicht: | 11. September 2023 |
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Hintergrund: Spezialisierung der Berufe und interprofessionelle Kooperation sind zwei Wege, um eine effiziente und sichere Patientenversorgung sowie die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Dabei liegt der Fokus sowohl auf den notwendigen Kompetenzen wie auch auf dem beruflichen Selbstverständnis.
Zielsetzung: Diese Arbeit befasst sich mit der Konstruktion professioneller Identität neuer Berufsgruppen am Beispiel operationstechnischer und anästhesietechnischer Assistent*innen im kooperativen Kontext einer Operationsabteilung.
Methode: In einem Zeitraum von drei Jahren wurden in einer explorativen qualitativen Studie 60 Stunden nicht teilnehmende offene Beobachtung in zwei Operationszentren eines Universitätsklinikums sowie 23 ethnografische Interviews durchgeführt. Im Rahmen des Grounded Theory Projektes erfolgten Datenerhebung und Analyse iterativ. Die Auswahl der Interviewteilnehmer*innen (technische Assistent*innen, Pflegefachkräfte und Ärzt*innen) wie auch die Auswahl der Beobachtungsfelder diente der kontinuierlichen Ausgestaltung induktiv gewonnener Kategorien; diese wurden zu einer gegenstandsbezogenen Theorie integriert.
Ergebnis: Es zeigt sich, dass neue Berufsgruppen in besonderer Weise mit der Positionierung ihrer Rolle im Verhältnis zu etablierten Professionen und Berufen wie auch der eigenen Person in dieser Rolle konfrontiert sind. Dies ist im Kontext des Operationssaals besonders herausfordernd: Die Ungleichheit der Professionen und Berufe hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Funktionen, ihres Ranges und ihrer Definitionsmacht trifft dort auf eine Gleichzeitigkeit des Handelns sowie eine Gleichzeitigkeit der jeweils unterschiedlichen Perspektiven auf das Handeln. Operationstechnische und anästhesietechnische Assistent*innen begegnen dieser Herausforderung mit einer Sinnkonstruktion entlang ihres Handelns. Dabei bildet das Konzept Prozessorientierung nicht nur den Kern der Perspektive auf kooperative Praxis, sondern auch den Ankerpunkt der sich entwickelnden professionellen Identität.
Diskussion: Die performative Kraft einer subjektiven Handlungsgeschichte legt nahe, dass nicht alle Schritte der Konstruktion professioneller Identität operationalisierbar und mit gängigen Paradigmen erklärbar sind. Pädagogen und Ausbilder sollten Lernenden diverse Kontexte auf dem Weg der Konstruktion ihrer professionellen Identität anbieten und mit viel Raum für Reflexion begleiten. Prozessorientierung als Anker für Kooperation ist dabei eine mögliche neue Perspektive.
Take Home Message: Die Ergebnisse legen eine Relationalität von Handlung, Kontext, sozialer Interaktion und subjektiver Sinnkonstruktion nahe. Integriert zu einer Handlungsgeschichte dienen diese neuen Berufsgruppen als Navigationssystem auf dem Weg ihres beruflichen Werdens, welches die Entwicklung professioneller Identität einschließt.