Artikel
Selbsteingeschätzter Lernzuwachs – was wird hier wirklich gemessen?
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 18. November 2020 |
---|
Gliederung
Text
Fragestellung/Zielsetzung: In der medizinischen Ausbildung wird der selbsteingeschätzte Lernzuwachs als stellvertretendes Maß für den Wissenserwerb verwendet [1]. Wie robust dieses Maß im Vergleich zu einem objektiven Test ist, wurde unter Berücksichtigung von Einflussgrößen wie dem Charisma der/des Dozierenden, den verwendeten Lehrmedien und der studentischen Technikaffinität untersucht.
Methoden: Die Datenerhebung erfolgte im Wintersemester 2019/2020 am Universitätsklinikum Würzburg im Rahmen der Seminarreihe Radiologie (7. Semester Humanmedizin). Die Themen Herz und große Gefäße, Thorax, Abdomen und Muskuloskelettales System wurden mittels Tablets unterrichtet, mithilfe derer die Studierenden selbstständig durch Bilddatensätze navigieren konnten. Kinderradiologie und Mammographie wurden anhand von frontalen PowerPoint-Präsentationen vermittelt. Siebzehn verschiedene Dozierende waren involviert. Pro Seminarthema nahmen durchschnittlich 98 Studierende (55,7% weiblich) teil. Um das erworbene Wissen zu objektivieren, legten die Studierenden am Ende jedes Seminartermins ein Testat ab. Zudem schätzten sie ihren Lernzuwachs, ihre Technikaffinität und das Charisma der/des Dozierenden ein. Mittels Varianzanalyse MANCOVA wurden Wissenserwerb sowie selbsteingeschätzter Lernzuwachs nach Unterrichtsmedium (PowerPoint vs. Tablet) und unter Berücksichtigung des Charismas untersucht.
Ergebnisse: Im t-Test zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den Schwierigkeiten der Testatfragen der Tablet- und PowerPoint-Seminaren. Während das Testat-Ergebnis bei beiden Unterrichtsmedien unabhängig vom Charisma der Dozierenden ausfiel, zeigte sich im Tablet-Unterricht ein signifikanter Einfluss des Charismas auf den selbsteingeschätzten Lernzuwachs. Je höher das Charisma der/des Dozierenden eingeschätzt wurde, desto positiver wirkte sich dies auf den selbsteingeschätzten Lernzuwachs aus (r=0,23, p<0,000005). In den PowerPoint-Seminaren zeigte sich dahingehend keine signifikante Korrelation.
Diskussion: Der Stellenwert des selbsteingeschätzten Lernzuwachses als stellvertretendes Maß für den Wissenserwerb sollte hinterfragt werden. In zukünftigen Studien sollte der Einfluss weiterer kovariierender Faktoren neben Charisma, Unterrichtsmedium und Technikaffinität identifiziert werden, insbesondere im Hinblick auf moderierende Funktionen.
Take home messages: Der selbsteingeschätzte Lernzuwachs kann nur sehr eingeschränkt als Maß für den tatsächlichen Wissenserwerb verstanden werden. Er ist eher als affektives, nicht als kognitives Maß zu deuten [2].
Literatur
- 1.
- Schiekirka S, Reinhardt D, Beibarth T, Anders S, Pukrop T, Raupach T. Estimating learning outcomes from pre-and posttest student self-assessments: a longitudinal study. Acad Med. 2013;88(3):369-375. DOI: 10.1097/ACM.0b013e318280a6f6
- 2.
- Sitzmann T, Ely K, Brown KG, Bauer KN. Self-assessment of knowledge: A cognitive learning or affective measure? Acad Manage Learn Educ. 2010;9(2):169-191.