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Reflexion im Medizinstudium: Schneiden reflektierte Studierende in praktischen Prüfungen besser ab?
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Veröffentlicht: | 31. August 2015 |
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Fragestellung/Einleitung: Seit dem WS 2013/14 wird im 1. klinischen Semester des Studiengangs Humanmedizin an der Universität Freiburg eine „Famulaturreife-Prüfung“ durchgeführt. Dabei werden die praktischen Fertigkeiten in der körperlichen Basisuntersuchung geprüft. Die entsprechenden Module „Kopf/Hals“, „Lunge/Herz“, „Abdomen“, „Wirbelsäule/Gelenke“ und „Nervensystem“ werden im 2. und 3. vorklinischen Semester gelehrt. Parallel werden die Studierenden im 1. Studienabschnitt im Rahmen des „Freiburger Portfolio“ für reflektiertes Denken und Handeln in der Medizin sensibilisiert.
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob das Reflektieren über eigene praktische Fertigkeiten in der Medizin zur Verbesserung dieser Kompetenzen führen kann.
Methoden: Die TeilnehmerInnen wurden in Abhängigkeit von dem Tag ihrer Prüfung in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe konnte unmittelbar vor der Famulaturreife-Prüfung anhand eines Fragebogens reflektieren wie sicher sie sich in der Untersuchungsdurchführung einschätzte (RvorP). Die andere Gruppe erhielt keine schriftliche Reflexionsmöglichkeit vor der Prüfung (keineRvorP). Jeder Prüfungskandidat wurde anschließend 10 Min lang zu einem per Zufall ausgewählten Modul geprüft. Inhalte der Prüfung waren neben der Untersuchungstechnik, die Struktur des Untersuchungsablaufs, die Instruktion des Patienten, der Wissensstand zum theoretischen Hintergrund einer Untersuchung und die Prüfungsleistung insgesamt. Im Anschluss an die Prüfung gab jeder Studienteilnehmer in einem Fragebogen u. a. die Häufigkeit des bewussten Reflektierens über praktische Fertigkeiten. Ärztliche und trainierte studentische Tutoren führten die Prüfung durch.
Es wurden Chi2-Tests durchgeführt und t-Tests gerechnet.
Ergebnisse: Von 266 Prüfungskandidaten erklärten sich 183 Studierende bereit an der Studie teilzunehmen. 178 Datensätze (97%) waren auswertbar. Die Gruppe RvorP stellte etwa die Hälfte (54%). Es gab zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede in der Geschlechterverteilung, in den beruflichen Vorkenntnissen und vorab fakultativ erfolgten Trainingsmaßnahmen. Für 5 der 6 Leistungsbewertungen wurden signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ermittelt. Hierbei wurden die Leistungen der Gruppe keineRvorP von den Prüfern besser bewertet. Die Effektstärken (Cohens d) liegen im niedrigen (-,33) bis mittleren Bereich (-,65). Weitere Analysen zeigen jedoch, dass Studierende der Gruppe keineRvorP signifikant häufiger angegeben haben, regelmäßig gedanklich über ihre praktischen Fertigkeiten zu reflektieren (Chi2=13.82, df=2, p=.001).
Diskussion/Schlussfolgerung: Die Untersuchung zeigte, dass die gedankliche Reflexion über praktische Fertigkeiten durchaus förderlich sein kann. Zu überprüfen bleibt welche Bedeutung eine Reflexion hat, die kurz vor der Prüfung erfolgt. Weitere Studien mit randomisiertem Design sind erforderlich, um diesen Aspekt genauer zu überprüfen.