Artikel
Kompetenz in medizinischer Entscheidungsfindung: Risikokompetenz und kognitive Reflexionsfähigkeit bei Bewerbern zum Medizinstudium
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 20. August 2013 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Studierfähigkeitstests für Bewerber zum Medizinstudium sollten in erster Linie dazu dienen, berufsqualifizierende Kompetenzen zu prüfen und vorherzusagen. Die Medizinische Fakultät Münster hat für ihr zum WS 2012/2013 gestarteten Auswahlverfahren neben den moralisch-emotiven Aspekten des Einfühlungsvermögens, des Mitgefühls und der Fürsorge die Verantwortung als zentralen Aspekt ärztlichen Handelns hervorgehoben.
Messbar wird die ärztliche Verantwortung in der medizinischen Entscheidungskompetenz. Deren Aspekte der Risikokompetenz und der kognitiven Reflexionsfähigkeit [1] können inzwischen mit etablierten Messverfahren (Berlin Numeracy Test bzw. Cognitive Reflection Test) erhoben werden. Die Frage ist, ob diese Messverfahren im Rahmen des Auswahlverfahrens über die Abiturnote hinausgehende Informationen über die Bewerber bieten.
Methode: Am Auswahlverfahren der Medizinischen Fakultät Münster haben zum WS 2012/2013 und SS 2013 insgesamt 305 Bewerber mit einer Abiturnote von 1,0 bis 1,5 teilgenommen. 68,5% der Bewerber waren weiblich.
Zur Messung der Risikokompetenz diente der Berlin Numeracy Test (BNT, German Paper & Pencil Version) [1]. Die Studierenden mussten insgesamt vier kurze Fallbeispiele bearbeiten, in denen Wahrscheinlichkeiten in relativen oder in absoluten Werten dargestellt wurden. Insgesamt konnten zwischen 0 und maximal 4 Punkte erreicht werden. Als Messinstrument für die kognitive Reflexionsfähigkeit wurde der Cognitive Reflection Test [2] eingesetzt. Hier konnten die Bewerber einen Score zwischen 0 und 3 Punkten erreichen.
Ergebnisse: Im Durchschnitt sind Bewerber mit 746,7 Abiturpunkten (SD ± 30,29) zum Auswahlverfahren zugelassen worden. Dies entspricht einer Abiturnote von 1,2. Im BNT zur Messung der Risikokompetenz wurde im Mittel ein Score von 1,47 Punkten (95%-CI 1,35–1,58) im CRT zur Messung der kognitiven Reflexionsfähigkeit von 1,17 (95%-CI 1,06–1,28) Punkten erreicht. Die Abiturnote korreliert nicht mit dem CRT aber signifikant (p<0,05, einseitig) mit dem BNT (Pearson's r=–0,104, Determinationskoeffizient R^2=0,011). Der BNT korreliert signifikant (p<0,01, zweiseitig) mit dem CRT (Pearson's r=0,384, Determinationskoeffizient R^2=0,147).
Conclusio: Der Anteil gemeinsamer Varianz von Abiturpunkten und CRT bzw. BNT von 0 bzw. 1% deutet darauf hin, dass Schulleistung und die gemessenen Aspekte der medizinischen Entscheidungsfähigkeit jeweils eigenständige Leistungsaspekte erfassen. Somit werden mit diesen Testverfahren über die Abiturnote hinausgehende Informationen über die Bewerber verfügbar. Der Anteil gemeinsamer Varianz von BNT und CRT von knapp 15% zeigt die Notwendigkeit einer mehrdimensionalen Erfassung medizinischer Entscheidungskompetenz.