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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.11. - 18.11.2007, Hannover

Lehre und Forschung – Gleichsetzung oder Differenzierung?: Kommentar zu den Bemühungen, den Stellenwert der Lehre zu beeinflussen

Vortrag/Lecture

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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung - GMA. Hannover, 16.-18.11.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gma201

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gma2007/07gma201.shtml

Veröffentlicht: 14. November 2007

© 2007 Lischka.
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Gliederung

Text

Einleitung: Im Diskurs zur „Hebung des Stellenwerts der Lehre“ ist mittlerweile weitgehende Übereinstimmung zu Maßnahmen festzustellen, die Lehrtätigkeit – insbesondere im Grundstudium - aufwerten könnten. Viele dieser Maßnahmen scheinen dem Bereich entlehnt zu sein, aus dem Forschungsleistungen ihr Prestige beziehen (Finanzierung, Kompetitivität, Karrierewege, institutionelle Anerkennung u.a.m.).

Die Carnegie Reports von Boyer (1990) und Glassik et al. (1996) haben das besonders im deutschen Sprachraum vertretene Konzept der Einheit von universitärer Forschung und Lehre differenziert und gemeinsame Merkmale der Exzellenz in den verschiedenen Feldern akademischer Tätigkeit „Forschung“, „Integration“, „Anwendung“ und „Lehre“ beschrieben. Diese Differenzierung stützt sich einerseits auf die Erweiterung akademischer Handlungsfelder, die nun nicht mehr auf „Lehre und Forschung“ beschränkt sind, und andererseits auf die Beschreibung übergeordneter, gemeinsamer Merkmale von „Scholarship“ in diesen Bereichen.

Prämisse: Im vorliegenden Kommentar wird versucht, eine weitere Differenzierung durch Beschreibung wesentlicher Unterschiede zwischen den beiden Bereichen Forschung und Lehre vorzu-nehmen. Wichtige Unterschiede dürften in folgenden Bereichen liegen:

  • Verhältnis des Akteurs zu seinem Tätigkeitsbereich (Forschung erzeugt und objektiviert Ergebnisse, Lehre führt über den „Umweg“ der Lernenden zu nur teilweise objektivierten Resultaten.)
  • Art und „Prestige“ der Aufgabenstellung (Forschungsfragen tendieren zur Spezialisierung und können i.d.R. in der einen oder anderen Weise abgeschlossen werden; Lehre erfordert – insbesondere in der Grundausbildung – tendenziell einen weniger prestigeträchtigen, generalistischen Ansatz; Forschung kann immer wieder neue Fragen stellen, Lehre muß sich immer wieder (auch) mit alten, bereits gelösten Fragen beschäftigen, die nur für Novizen Neuigkeitswert haben.)
  • Bewertbarkeit und Bewertung der Ergebnisse (Anders als in der Forschung ist dieses Problem im Bereich der Lehre weitestgehend ungelöst; Lehre soll Lernprozesse zur Folge haben, die zwar an bestimmten Punkten bilanziert - grundsätzlich aber nicht abgeschlossen werden können.)
  • Kompetitivität (Forschung strebt nach Spitzenleistungen; Lehre muß zunächst ein Mindestmaß an Qualität der Absolventen sicherstellen.)

Hypothesen: Es wird angenommen, dass in der Auseinandersetzung mit den angeführten Differenzen ein Potential zur Beeinflussung des Stellenwerts der Lehre liegt, das die bisher allgemein diskutierten Maßnahmen ergänzt. Die Beachtung der unterschiedlichen Funktionalitäten könnte dazu führen, dass der Eigenwert von Lehre stärker zum Tragen kommt.

Auf der Ebene der handelnden Person kann Lehre dadurch eine Aufwertung als essentieller Bestandteil der professionellen Kompetenzen von Ärzten erfahren. Lehrkompetenz ist grundsätzlich in allen ärztlichen Tätigkeitsbereichen erforderlich und könnte im Sinn eines frühen Kontakts mit einem wichtigen Aspekt der Praxis schon im Grundstudium Status gewinnen.

Auf der institutionellen Ebene ist nach dem Stellenwert von Kompetitivität zu fragen. Lösungsansätze könnten in Analogien zu der in der Wirtschaft diskutierten, in letzter Zeit auch mit der Lehre in Zusammenhang gebrachten „Blue Ocean Strategy“ [1], [2] liegen, die Qualität nicht aus traditioneller Konkurrenz bezieht.


Literatur

1.
Harden R. The Future of Medical Education in Europe. Keynote. Oslo: MEDINE Annual Conference; 2007.
2.
Kim WC, Mauborgne R. Blue Ocean Strategy, How to Create Uncontested Market Space and make the Competition Irrelevant. Boston: Harvard Business School Press; 2005.