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Forum Medizin 21, 45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Zusammenarbeit mit der Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin

22.09. - 24.09.2011, Salzburg, Österreich

Polypharmazie, Arzneimittel-bezogene Probleme und potenziell inadäquate Medikation in einer Kohorte älterer Patienten aus der PRISCUS-Studie

Meeting Abstract

  • corresponding author Stefanie Holt - Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Medizin, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke, Philipp Klee-Institut für Klinische Pharmakologie, Helios Klinikum Wuppertal, Wuppertal, Deutschland
  • author Renate Klaaßen-Mielke - Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author presenting/speaker Gudrun Theile - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Christiane A. Müller - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Ulrich Thiem - Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Petra A. Thürmann - Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Medizin, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke, Philipp Klee-Institut für Klinische Pharmakologie, Helios Klinikum Wuppertal, Wuppertal, Deutschland

45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Forum Medizin 21. Salzburg, 22.-24.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11fom141

doi: 10.3205/11fom141, urn:nbn:de:0183-11fom1414

Veröffentlicht: 14. September 2011

© 2011 Holt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bestimmte Arzneimittel gelten aufgrund pharmakologischer Effekte und eines erhöhten Risikos für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) als potenziell inadäquat für ältere Patienten. Die an den deutschen Arzneimittelmarkt und Verordnungsgewohnheiten angepasste PRISCUS-Liste beinhaltet 83 potenziell inadäquate Medikamente (PIM) für ältere Menschen [1]. Medikationsempfehlungen wie Monitoring-Parameter und Dosierungsanpassungen, falls der PIM-Gebrauch nicht vermeidbar ist sowie Therapiealternativen sind zusätzlich aufgeführt. Mit Hilfe der PRISCUS-Liste sollte die PIM-Nutzung bei älteren Patienten, die Studienteilnehmer des hannoverschen Teilprojektes des PRISCUS-Verbundes (STEP-Studie) waren [2], analysiert werden.

Material und Methoden: Demographische Daten, Erkrankungen, aktuelle Medikation und selbst-berichtete UAW wurden von 737 Patienten der Interventions- und Kontrollgruppe der STEP-Studie (78±4 Jahre, 60% Frauen) in zwei Interviews im Abstand von drei Monaten erfasst. Der Medikamentengebrauch wurde im Hinblick auf Polypharmazie (≥5 Arzneimittel), Häufigkeit potenziell inadäquater Medikamente nach PRISCUS-Liste und ihr Zusammenhang mit selbstberichteten Beschwerden und UAW untersucht. Die univariate und multivariate logistische Regressionsanalyse u.a. mit den Einflussfaktoren Geschlecht, Altersgruppen und Polypharmazie erfolgte mittels SAS (Version 9.1).

Ergebnisse: Die Patienten der STEP-Studie nahmen zu beiden Interviewzeitpunkten im Mittel 6±3 Arzneimittel. 61% der Patienten erhielten ≥5 Medikamente. Bei 18% der Patienten konnte der Gebrauch von PIM gemäß PRISCUS-Liste ermittelt werden. Die häufigsten PIM waren Acetyldigoxin, Amitriptylin, Sotalol und Bromazepam. Die häufigsten potenziell inadäquaten Arzneistoffklassen waren Psychoanaleptika (N06), Psycholeptika (N05) und Herztherapeutika (C01). Der PIM-Gebrauch steht statistisch signifikant mit Polypharmazie und häufigen Arztbesuchen in Zusammenhang. Ein statistisch signifikant höherer PIM-Gebrauch bei Frauen konnten nur in der univariaten Analyse ermittelt werden (OR 1.7, KI 1.1-2.5). Patienten mit PIM-Nutzung gaben häufiger Beschwerden wie Schlafstörungen (OR 1.7, KI 1.2-2.6), Übelkeit (OR 3.2, KI 1.8-5.7) und Obstipation (OR 2, KI 1.2-3.1) an als Patienten ohne PIM. Die Längsschnittuntersuchung zeigte keine großen Veränderungen des PIM-Gebrauchs. 84.8% der PIM-Patienten nutzen zu beiden Interviewzeitpunkten potenziell inadäquate Medikamente nach PRISCUS-Liste.

Schlussfolgerung/Implikation: 61% der untersuchten Kohorte sind von Polypharmazie betroffen, 18% wenden ein PIM an. Die ermittelte PIM-Prävalenz ist vergleichbar zu Daten anderer nationaler und internationaler Erhebungen [3], [4]. Im Unterschied zu internationalen Studien [5] wurde kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der PIM-Nutzung und höherem Alter festgestellt. Eine randomisierte kontrollierte Studie zum PIM-Gebrauch und dessen Vermeidung startet im Frühjahr 2011 (RIME Studie).

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Förder-Nr. 01ET0721, 01ET0722.


Literatur

1.
Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA. Potentially inappropriate medication in the elderly - PRISCUS list. Dtsch Arztebl Int. 2010;107:543-51
2.
Müller CA, Klaaßen-Mielke R, Penner E, Junius-Walker U, Hummers-Pradier E, Theile G. Disclosure of new health problems and intervention planning using a geriatric assessment in a primary care setting. Croat Med J. 2010;51:493-500.
3.
Fialová D, Topinková E, Gambassi G, Finne-Soveri H, Jónsson PV, Carpenter I, Schroll M, Onder G, Wergeland Sørbye L, Wagner C, Reissigová J, Bernabei R for the AdHOC Project Research Group. Potentially inappropriate medication use among elderly home care patients in Europe. JAMA. 2005;293:1348-58.
4.
Holt S, Thiem U, Diederichs C, Berger K, Szymanski J, Thürmann PA. Potentially inappropriate medication in two German elderly cohorts. 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie. Osnabrück, 25.-26.11.2010. Düsseldorf: GMS German Medical Science Publishing House; 2010. Doc10gaa22 DOI: 10.3205/10gaa22 Externer Link
5.
Bongue B, Naudin F, Laroche ML, Galteau MM, Guy C, Guéguen R, Convers JP, Colvez A, Maarouf N. Trends of the potentially inappropriate medication consumption over 10 years in older adults in the East of France. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2009;18:1125-33