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Herausforderungen bei der Verwendung von indirekter Evidenz mit sehr geringer Vertrauenswürdigkeit zur Ableitung von Empfehlungen für eine S3-Leitlinie zur Transition von jungen Menschen mit Adipositas
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Veröffentlicht: | 27. März 2025 |
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Hintergrund/Fragestellung: Während für viele chronische Erkrankungen Transitionsinterventionen untersucht und aus vorhandener Evidenz Empfehlungen abgeleitet wurden, stehen bislang keine spezifischen evidenzbasierten Empfehlungen zur Transition von jungen Menschen mit Adipositas zur Verfügung. Ziel war es, im Rahmen der Entwicklung einer S3-Leitlinie die vorhandene Evidenz systematisch zu sichten und zu bewerten.
Methoden: Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit Expertise in evidenzbasierter Forschungsmethodik, klinischer, therapeutischer und pflegerischer Tätigkeit, definierte die Fragestellung nach dem PICO-Schema. Da in der Vorabrecherche keine Studien zu jungen Menschen mit Adipositas identifiziert werden konnte, wurde die Zielpopulation auf in Teilaspekten vergleichbare Indikationen (Diabetes, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, juveniler idiopathischer Arthritis, Asthma) erweitert. Die Outcomepriorisierung erfolgte literatur- und erfahrungsbasiert. Die Literatursuche fand in drei Datenbanken statt. Screening, Datenextraktion, Studienbewertung (RCTs: Cochrane RoB 2.0, NSRIs: ROBINS-I) und Bewertung der Vertrauenswürdigkeit in die Evidenz (GRADE) erfolgte unabhängig von zwei Personen. Die Synthese erfolgte sowohl statistisch als auch narrativ.
Ergebnisse: Identifiziert wurden 17 Studien (13 RCTs, 4 NRSIs; n=0 mit Adipositas, n=11 mit Diabetes, n=1 mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, n=1 mit juveniler idiopathischer Arthritis, n=4 mit verschiedenen chronischen Erkrankungen). Die Vertrauenswürdigkeit in die Evidenz wurde größtenteils als sehr niedrig eingestuft. Hauptgründe waren schwerwiegende bis sehr schwerwiegende Limitationen im RoB, unzureichende Präzision (v.a. aufgrund kleiner Fallzahlen und selten berichteter Endpunkte) und Indirektheit aufgrund fehlender Studien in der Primärpopulation. Bis auf die Verbesserung der Transitionsbereitschaft im Großteil der Studien, zeigten sich keine relevanten Effekte durch Transitionsinterventionen bei den verbleibenden Endpunkten (z.B. HbA1c) im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Schlussfolgerung: Die wenigen evidenzbasierten Empfehlungen, die abgeleitet werden können, bestehen ausschließlich auf indirekter Evidenz, deren Vertrauenswürdigkeit größtenteils als sehr niedrig eingeschätzt wurde. Dies stellt eine Herausforderung für die Leitliniengruppe dar. Durch die Hinzunahme von konsensbasierten Empfehlungen ergibt sich für die Praxis dennoch eine hohe Relevanz, obgleich Studien mit der Zielpopulation notwendig sind, um spezifische Empfehlungen ableiten zu können.