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Patient:innenbeteiligung an der Entwicklung von S3-Leitlinien in Deutschland – eine deskriptive Analyse
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Veröffentlicht: | 12. März 2024 |
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Hintergrund/Fragestellung: International gilt Patient:innenbeteiligung als ein Qualitätskriterium für medizinische Leitlinien. In Deutschland ist die „Abbildung der Perspektive von Patient:innen/ Betroffenen“ unter anderem bei der Entwicklung von S3-Leitlinien obligat [1]. 2018 konstatierte eine Studie mit nur 58% eine unzureichende Patient:innenbeteiligung an S3-Leitlinien (81% an Patient:innen-Versionen) [2]. Die vorliegende Studie verfolgte drei Ziele: Zu untersuchen 1. ob und inwiefern Patient:innen in die Entwicklung von S3-Leitlinien eingebunden sind; 2. inwiefern S3-Leitlinien der RIGHT-Checkliste [3] in Bezug auf das Reporting von Patient:innenbeteiligung folgen; 3. ob an der Entwicklung von Patient:innen-Versionen zu S3-Leitlinien Patient:innen beteiligt waren.
Methoden: Das Leitlinienregister der AWMF (Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften) wurde nach folgenden Kriterien durchsucht: S3-Leitlinien aller medizinischen Fachgesellschaften, gültig am 31. März 2023. Fünf Wissenschaftlerinnen extrahierten unabhängig voneinander in zwei Teams die Daten aus den S3-Leitlinien in Langfassung (LL), den Leitlinienreporten (LR) sowie den Patient:innen-Versionen (PV). Alle Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Insgesamt waren 135 S3-Leitlinien am Stichtag gültig (akute Erkrankung: 38, chronische Erkrankung: 86, Sonstige: 11). An 107/135 LL (79%) waren Patient:innen beteiligt (akut: 57%, chronisch: 92%, Sonstige: 64%). In 98/107 Leitliniengruppen (92%), an denen Patient:innen beteiligt waren, hatten sie Stimmrecht (1 ohne Stimmrecht, 8 unklar). Nur 1/28 Leitlinien ohne direkte Patient:innenbeteiligung berichtete von einer systematischen Literaturrecherche zur Abbildung der Patient:innenperspektive. Nur 3/27 (11%) Leitlinien ohne Patient:innenbeteiligung gaben dies als Limitation an. Zu insgesamt 57/135 LL (42%) war mindestens eine PV im Internet verfügbar, wobei an 45/57 PV (79%) Patient:innen beteiligt waren.
Schlussfolgerung: Insgesamt ist die Patient:innenbeteiligung an S3-Leitlinien gestiegen, wurde jedoch noch nicht vollumfänglich gemäß den Anforderungen der AWMF umgesetzt. Sie ist höher bei S3-Leitlinien zu chronischen als zu akuten Erkrankungen, was im höheren Organisationsgrad von Patient:innen mit chronischen Erkrankungen begründet sein könnte. Insbesondere in Fällen, in denen keine direkte Beteiligung von Patient:innen erfolgte, wurden bisher kaum andere Methoden zur Erhebung der Patient:innen-Perspektive beschrieben. Entsprechende Berichtsstandards sollten befolgt werden.
Interessenkonflikte: Die Autor:innen erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
- 1.
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. AWMF-Regelwerk 2.0 - Was ist neu? AWMF; 2020. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/dateien/downloads_regelwerk/202108_AWMF-Regelwerk2.0_Was_ist_neu_fin.pdf
- 2.
- Ollenschlager G, Wirth T, Schwarz S, Trifyllis J, Schaefer C. [Patient involvement in clinical practice guidelines is poor after 12 years of German guideline standards: A review of guideline methodologies]. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2018;135-136:50-5.
- 3.
- Chen Y, Yang K, Marusic A, Qaseem A, Meerpohl JJ, Flottorp S, et al. [A reporting tool for practice guidelines in health care: the RIGHT statement]. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2017;127-128:3-10.