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Die Schwangerenversorgung im Spannungsfeld zwischen Ärzten und Hebammen
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Veröffentlicht: | 23. Februar 2021 |
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Hintergrund/Fragestellung: Die Versorgung Schwangerer zählt zu den häufigsten Behandlungsanlässen in Deutschland. Im Gegensatz zu anderen Bereichen werden hier überwiegend gesunde Frauen von zwei Berufsgruppen, den Ärztinnen und den Hebammen, betreut. Das nationale Gesundheitsziel rund um die Geburt empfiehlt die Entwicklung von Kooperationsmodellen. Die Tätigkeit der Hebammen erfolgt nach §1 HebG eigenständig. Die Mutterschafts-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses knüpft jedoch wesentliche Hebammenleistungen an eine ärztliche Delegation. Der Berufsverband der Frauenärzte sieht dahingehend haftungsrechtliche Risiken und Abrechnungsprobleme und spricht Empfehlungen gegen kooperative Abrechnungsmodelle aus.
Die vorgelegte Studie untersucht wie sich Versorgungsmodelle während der Schwangerschaft für differenzierte soziale Gruppen verändern.
Methoden: Auf Grundlage von Abrechnungsdaten wird in einer retrospektiven Längsschnittstudie untersucht, in welchem Umfang welche Leistungen während der Schwangerschaft durch differenzierte soziale Schichten in Anspruch genommen werden. Betrachtet werden die Jahre 2015 bis 2019. Es wird das Einkommensschichtenmodell des DIW verwendet.
Anhand einer Expertenbefragung unter Hebammen werden aus Leistungskombinationen Schwangerschaftsversorgungsmodelle abgeleitet. Anschließend wird untersucht, wie sich die Versorgungsmodelle der sozialen Schichten verändern. Es werden Poisson- und multinomiale logistische Regressionen eingesetzt.
Ergebnisse: Inanspruchnahmen und Versorgungsmodelle unterscheiden sich signifikant mit der sozialen Schicht. Die Unterschicht nimmt weniger Leistungen in Anspruch, hat mit einem Anteil von 6% am häufigsten eine unregelmäßige Versorgung und am seltensten ein Kooperationsmodell. Die Schichtendifferenzierung und die relativen Anteile der Versorgungsmodelle sind zeitlich stabil. Jedoch verdrängen ärztliche Vorsorgeleistungen die Vorsorgeleistungen der Hebammen. Hebammen weichen auf eine überproportionale Abrechnung von Leistungen bei Beschwerden während der Schwangerschaft aus.
Schlussfolgerung: Die scheinbare rechtliche Unsicherheit bei Hebammenleistungen verdrängt Vorsorgeleistungen und steht dem nationalen Gesundheitsziel entgegen. Über eine dahingehend gefasste kleine Anfrage hinaus (Drucksache 18/8052 [1]), ist eine konkrete politische Stellungnahme angebracht. Die Unterschicht erhält geringere Versorgungsmodelle und weniger Leistungen während der Schwangerschaft. Zur Verbesserung von Geburtsoutcomes sind gezieltes Fördern und Informationsmaßnahmen angebracht.
Interessenkonflikte: Es liegt kein Interessenkonflikt vor.