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20. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

21. - 23.03.2019, Berlin

Vereinfachte Packungsbeilage oder mündliche Aufklärung statt Packungsbeilage gemäß EU-Richtlinie: eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie zur Analyse des Einflusses auf den Nocebo-Effekt

Meeting Abstract

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  • Tim Mathes - Universität Witten/Herdecke, Abteilung für Evidenzbasierte Versorgungsforschung, Deutschland
  • Barbara Prediger - Universität Witten/Herdecke, Abteilung für Evidenzbasierte Versorgungsforschung, Deutschland
  • Esther Meyer - Universität Witten/Herdecke, Abteilung für Evidenzbasierte Versorgungsforschung, Deutschland
  • Roland Büchter - Universität Witten/Herdecke, Abteilung für Evidenzbasierte Versorgungsforschung, Deutschland

EbM und Digitale Transformation in der Medizin. 20. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 21.-23.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19ebmS1-V2-04

doi: 10.3205/19ebm009, urn:nbn:de:0183-19ebm0096

Veröffentlicht: 20. März 2019

© 2019 Mathes et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Der Nocebo Effekt (NE) bezeichnet den Zusammenhang zwischen der Erwartung unerwünschter Wirkungen einer Behandlung und dem tatsächlich Auftreten dieser. Studien deuten darauf hin, dass der NE durch Kommunikation beeinflusst werden kann. Packungsbeilagen (PBL) sind die am weitesten verbreitete Form der schriftlichen Aufklärung über unerwünschte Ereignisse (UEs). Die Art und Darstellung von UEs (z.B. Häufigkeitsangaben) kann die Einschätzung und somit die Erwartungshaltung bezüglich Nebenwirkungen beeinflussen (z.B. Eintrittswahrscheinlichkeit). Auch die Art der Vermittlung von UEs könnte den NE beeinflussen.

Ziel dieser randomisierten kontrollierten Pilotstudie (pRCT) war es, den Einfluss unterschiedlicher Aufklärungsvarianten über UEs auf den NE zu analysieren.

Methoden: Es wurde eine monozentrische, pRCT mit Erwachsenen, die elektiv orthopädisch operiert wurden und Ibuprofen erhielten, durchgeführt. Die Patienten wurden zentralisiert, mittels Computer in die folgenden Gruppen randomisiert:

  • Vereinfachte-PBL: In einfacher Sprache ausgedrückte und auf Vermeidung von Risikoverzerrung ausgelegte PBL
  • Keine-PBL: mündliche nicht standardisierte Aufklärung
  • Standard-PBL: PBL gemäß EU-Richtlinie

Zur Quantifizierung des NEs wurde die Anzahl an patientenberichteten UEs (innerhalb drei Tage nach Entlassung) und weitere Endpunkte erhoben (z.B. Angst vor UEs nach dem Lesen). Patienten und Personal waren auf Grund der Offensichtlichkeit der Interventionen nur teilweise verblindet.

Ergebnisse: Es wurden 35 Patienten in die Vereinfachte-PBL-, 33 in die Keine-PBL- und 34 in die Standard-PBL-Gruppe randomisiert. Für 95% der Patienten waren Daten zu UEs verfügbar. Eine Intention-To-Treat-Analyse zeigte: Sechs (17,1%) Patienten in der Vereinfachte-PBL-Gruppe, vier (12,1%) in der Keine-PBL-Gruppe und acht (23,5%) in der Standard-PBL-Gruppe berichteten mindestens ein UE. Dies entspricht einem relativen Risiko von 0,80 (95%CI 0,27–1,90) für die Vereinfachte-PBL- und 0,50 (95%CI 0,14–1,46) für die Keine-PBL-Gruppe im Vergleich zur Standard-PBL-Gruppe. Die Effektrichtung für alle sekundären Endpunkte war bei hoher statistischer Unsicherheit entweder ähnlich zwischen den Gruppen oder zeigte eine Tendenz zur Ungunsten der Standard-PBL (z.B. hohe Angst vor UEs).

Schlussfolgerungen: Diese pRCT liefert erste Indizien, dass die Ausgestaltung von PBLs mit dem NE assoziiert sein könnte. Eine definitive Studie mit adäquater Fallzahl scheint auf Grund der Ergebnisse sinnvoll und machbar.

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine Interessenkonflikte. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (GZ: MA 6775/3-1).