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Wirksamkeit einer Leitlinien-basierten Intervention zur Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der Altenpflege: eine Cluster-randomisierte pragmatische Studie
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Veröffentlicht: | 6. März 2018 |
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Hintergrund/Fragestellung: Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM) werden bei älteren Menschen regelmäßig eingesetzt, trotz fehlender Belege für ihre Wirksamkeit und Sicherheit. Durch eine eigene Leitlinien-basierte Intervention konnte die Anwendung von FEM reduziert werden. Ziel der Folgestudie war es, die Wirksamkeit des getesteten Programms im Vergleich zu einer verkürzten Fassung und zu optimierter Standardversorgung in einer pragmatischen Studie zu untersuchen sowie fördernde bzw. hemmende Faktoren der Implementierung zu identifizieren.
Methoden/Material: Die Leitlinien-basierte Intervention zur Vermeidung von FEM wurde aktualisiert (IG1) und eine verkürzte Fassung (IG2) entwickelt und pilotiert. Eine dreiarmige Cluster-randomisierte Studie mit 120 Pflegeheimen in vier Regionen (Sachsen-Anhalt, Hamburg, Schleswig-Holstein, Ruhrgebiet) wurde durchgeführt (Reg-Nr. NCT02341898). Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Bewohner mit > 1 FEM nach 12 Monaten, verblindet erhoben durch direkte Beobachtung; sekundäre Endpunkte waren die Sturzinzidenz und -prävalenz, Sturz-bedingte Frakturen und ökonomische Parameter. Auch wurde eine umfangreiche Prozessevaluation durchgeführt.
Ergebnisse: Die FEM Baseline-Prävalenz betrug 17,4% (IG1), 19,6% (IG2) und 18,8% (KG) (n=8.800 Bewohner); die 12 Monats-Prävalenz lag bei 14,6%, 15,7% und 17,6% (n=8.841 Bewohner). Die Unterschiede zwischen den Gruppen waren nicht statistisch signifikant; IG1 vs. KG -2,0% (97,5% KI -5,8–1,9), IG2 vs. KG -2,5% (97,5% KI -6,4–1,4). Es gab z.T. ausgeprägte FEM-Prävalenz Unterschiede zwischen den Einrichtungen. Erste Analysen der Prozessdaten deuten auf Unterschiede im Implementierungsgrad bei den Einrichtungen hin. Die Zahl der Stürze und Sturz-bedingten Frakturen nach 12 Monaten unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (Stürze: IG1 34,0%, IG2 32,9%, KG 31,8%; Frakturen 2,4%, 2,0%, 1,8%). Die Analysen zum Zusammenhang von Interventionseffekten und Implementierungsgrad werden derzeit durchgeführt und bis zum Kongress vorliegen.
Schlussfolgerung: Beide Interventionen zeigten keinen klaren Vorteil gegenüber der optimierten Standardversorgung. Die Prävalenz zu Studienbeginn war niedriger als in der vorhergehenden Interventionsstudie. Vor diesem Hintergrund kann möglicherweise unter den gegebenen Ausstattungsmerkmalen der Pflegeheime kaum noch eine relevante Reduktion von FEM erzielt werden. Eine Umsetzung der Leitlinie in Einrichtungen mit hoher Prävalenz könnte helfen, FEM zu reduzieren.