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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

„Wie sicher ich bin? – Ja, 100% sicher… Ob das sinnvoll ist – habe ich durchaus in Frage gestellt.“ – Der Entscheidungskonflikt nach einer Screening-Beratung: Sinnvolles Zielkriterium?

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Kathrin Schlößler - Abteilung für Allgemeinmedizin, rehabilitätive und präventive Medizin, Marburg, Deutschland
  • Katrin Kuss - Abteilung für Allgemeinmedizin, rehabilitätive und präventive Medizin, Marburg, Deutschland
  • Miriam Becker - Abteilung für Allgemeinmedizin, rehabilitätive und präventive Medizin, Marburg, Deutschland
  • Charles Christian Adarwkah - Abteilung für Allgemeinmedizin, rehabilitätive und präventive Medizin, Marburg, Deutschland
  • Norbert Donner-Banzhoff - Abteilung für Allgemeinmedizin, rehabilitätive und präventive Medizin, Marburg, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmC3a

doi: 10.3205/16ebm055, urn:nbn:de:0183-16ebm0552

Veröffentlicht: 23. Februar 2016

© 2016 Schlößler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Vielen Ärzten fällt es schwer, Männer umfassend zum PSA-Test zu beraten. Entscheidungshilfen (EH) können die Beratung unterstützen. Ein für den Effektivitätsnachweis häufig eingesetztes, allerdings auch umstrittenes, Konstrukt ist der Entscheidungskonflikt (EK), gemessen mit der DCS (Decisional Conflict Scale). Anhand einer eigenen mixed-methods-Studie wird die Problematik dieses Zielkriteriums dargestellt und diskutiert.

Fragestellung:

1.
Wie hoch ist der Entscheidungskonflikt nach einer Beratung zum PSA-Screening (DCS)?
2.
Lassen sich verschiedene Entscheider-Typen identifizieren (qualitative Analyse)?
3.
Wie beeinflusst die Beratung den EK (Inferenzen)?

Methodik: Im Rahmen der qualitativen Pilotstudie berieten 9 Ärzte 32 Patienten, alle Beteiligte wurden interviewt. In einer sich anschließenden quantitativen Pilotstudie wurden dann 28 Ärzte randomisiert (Beratung mit EH bzw. wie bisher) und sollten je Arm 180 Männer rekrutieren. Wir erhoben den EK der Männer mit der DCS direkt nach der Beratung (T0) und nach zwei Wochen (T1).

Ergebnisse:

1.
Der EK ist direkt nach der Beratung gering ausgeprägt und nimmt in beiden Gruppen im Zeitverlauf ab. Lediglich zu T1 zeichnet sich ein geringerer EK in der Interventionsgruppe ab (Tendenz; ohne Berücksichtigung von Clustern). Dieser resultiert aus den Sub-Skalen Unsicherheit, Klarheit über Einstellung und subj. Informiertheit.
2.
In der qualitativen Analyse ergeben sich unterschiedliche Entscheider-Typen: Der ‚Voruntersuchte-Verdränger‘ z.B. hat bereits PSA-Tests in der Vergangenheit gemacht und ist vor der Beratung entschieden. Er verdrängt neue Informationen (geringer EK) oder wägt diese ab (aufwerfen eines EKs). Durch kognitive Dissonanz kann Ärger entstehen.
3.
Die Zunahme des Wissens durch die Beratung führt durch eine (Neu)bewertung des Tests zu einer geringeren Klarheit über die eigene Einstellung (qual). Diese DCS Sub-Skala trägt zu dem Unterschied des Gesamt-EKs bei (quant). Der EK kann durch die Beratung aufgeworfen werden (qual). Im Widerspruch hierzu stehen insgesamt geringe Werte der DCS in der quant. Analyse. Jedoch hat sich etwa ein Drittel der Männer in den zwei Wochen umentschieden -Zeichen eines hohen EKs (Widerspruch zu den geringen Werten der DCS).

Schlussfolgerung: Die DCS ist direkt nach der Beratung wenig aussagekräftig (viele Wechsler, hoher EK in Interviews). Der Abwägungsprozess scheint zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen zu sein. Alternative Endpunkte werden diskutiert.