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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Werden Informationen zu kulturellen Faktoren, Migration und Flucht in Leitlinien dargelegt? Das Beispiel „psychische Erkrankungen“

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Sabine Schwarz - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Corinna Schaefer - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmD2b

doi: 10.3205/16ebm051, urn:nbn:de:0183-16ebm0519

Veröffentlicht: 23. Februar 2016

© 2016 Schwarz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Fragestellung: Laut des Statistischen Bundesamtes lebten 2014 fast 17 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. 2015 werden bis zu 800.000 Asylbewerber erwartet. Migration hat Auswirkung auf die Gesundheit. So sind Menschen mit Migrationshintergrund z.B. Belastungen ausgesetzt, welche die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen können. Zudem können kulturspezifische Faktoren u.a. den Krankheitsverlauf, die Präsentation von Symptomen und die Inanspruchnahme von Therapiemöglichkeiten beeinflussen. Der folgende Beitrag untersucht beispielhaft, ob und wie Aussagen zu Kultur, Migration und Flucht in hochwertigen Leitlinien (LL) zu psychischen Erkrankungen enthalten sind.

Material/Methoden: Grundlage der Analyse bildeten aktuelle Langfassungen von S3-LL zu psychischen Erkrankungen bei Erwachsenen, die auf der AWMF-Webseite im Oktober 2015 verfügbar waren. Angaben wurden extrahiert und Aussagen zusammengefasst.

Ergebnisse: Es konnten 9 S3-LL gefunden werden, wobei 8 mindestens an einer Stelle in irgendeiner Form Bezug zu kulturellen Faktoren, Migration oder Flucht nehmen. Am häufigsten wurden in den LL Informationen zu kulturellen Aspekten dargelegt (7 LL). In 2 LL wurde auf Aspekte von Flucht eingegangen. Drei LL hatten eigene Kapitel oder Unterkapitel zu kulturellen Einflüssen. In 1 LL fand sich eine Empfehlung formuliert als klinischer Konsenspunkt zur Behandlung von Migranten. In einer 1 LL gab es 3 Statements zu kulturspezifischen Aspekten, davon wurden 2 mit dem Evidenzgrad 2b bewertet. Epidemiologische Unterschiede berichteten 4 LL. Hinweise zu diagnostischen Unterschieden fanden sich in 3 LL. In 6 LL wurden auf Besonderheiten in der Behandlung hingewiesen, z.B. bei der Psychotherapie. Nur 1 LL machte explizite Aussagen zur Versorgung und Forschungsdefiziten.

Schlussfolgerung: Die Analyse zeigt, dass fast alle S3-Leitlinien zu psychischen Erkrankungen Informationen zu kulturellen Faktoren, Migration und Flucht enthalten. Während allerdings einige LL ausführlich auf diese Bereiche eingehen, wird in anderen nur marginal berichtet. Gesellschaftspolitische Gesundheitsthemen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Wenn LL ihr Ziel erreichen wollen, die gesundheitliche Versorgung zu sichern und zu verbessen, sollten sie auch spezifische Aspekte von Menschen mit Migrationshintergrund angemessen und umfassender als bisher adressieren. Sofern relevant, sollten LL-Autoren zielgruppenspezifische Fragestellungen systematisch recherchieren.