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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Patientinnenpräferenzen beim unkomplizierten Harnwegsinfekt – eine Fokusgruppenanalyse

Meeting Abstract

  • author presenting/speaker Susanne Heim - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Michaela Raschkowski - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Ildikó Gágyor - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Jutta Bleidorn - Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Guido Schmiemann - Institut für Public Health und Pflegeforschung, Abteilung für Versorgungsforschung, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • corresponding author Eva Hummers-Pradier - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmE2d

doi: 10.3205/16ebm040, urn:nbn:de:0183-16ebm0402

Veröffentlicht: 23. Februar 2016

© 2016 Heim et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Fragestellung: Bei der Erstellung von Leitlinien und der Konzeption klinischer Studien gewinnt die Sichtweise betroffener PatientInnen zunehmend an Bedeutung. Beim unkomplizierten Harnwegsinfekt (HWI) beschränken sich Zielgrößen bislang weitgehend auf mikrobielle Heilung und Symptomfreiheit. Ob dies für betroffene Patientinnen in gleichem Maße gilt, wird selten hinterfragt. Die hier dargestellte Fokusgruppen-Studie hatte zum Ziel, neben den Erfahrungen von HWI-Patientinnen auch deren Sichtweisen und Prioritäten hinsichtlich der Behandlungsziele zu erfassen, um diese in die Aktualisierung der Leitlinie wie auch in die Konzeption geplanter Studien einfließen zu lassen.

Material/Methoden: Nach der Entwicklung eines Leitfadens, basierend auf systematischer Literaturrecherche, wurden 2015 fünf Fokusgruppen mit Frauen aus zwei Altersklassen (18-35J./40-83J.) durchgeführt. Die Diskussionen wurden videodokumentiert, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Vorläufige Analysen zeigen, dass sich Frauen zu Beginn eines HWI meist selbst behandeln (viel Trinken, pflanzliche Präparate). Den Arzt suchen sie auf, wenn keine Besserung eintritt. Als Auslöser werden Kälte/Nässe, Geschlechtsverkehr und Stress wahrgenommen. Als besonders beeinträchtigend erlebt werden auf der körperlichen Ebene Brennen, häufiger Harndrang, Krämpfe und unangenehmer Geruch, aber auch psychosoziale Aspekte (kaum das Haus verlassen zu können etc.) wirken sich aus auf Berufsleben, Freizeit und Partnerschaft.

Von ebenfalls betroffenen Frauen fühlen sich Patientinnen eher ernst genommen als von ihren behandelnden Ärzten. Das (leitliniengerechte) hausärztliche Vorgehen, ein Antibiotikum ohne vorherige Urinkultur zu verschreiben, stößt häufig auf Unverständnis. Es besteht die Sorge vor Rezidiven, Nierenentzündungen und Resistenzbildung. Groß ist der Wunsch nach Beratung zu Prävention und alternativen Behandlungsoptionen. Entscheidend ist für die Frauen, wie sie sich fühlen, unabhängig vom Urinstatus. Angeregt wurde eine Skala zur Einschätzung der Symptomlast zu entwickeln. Finale Ergebnisse werden auf dem Kongress vorgestellt.

Schlussfolgerungen: Der Einbezug betroffener Patientinnen in die Entwicklung von Leitlinien und Studien wird zunehmend gefordert. In Fokusgruppendiskussionen mit HWI-Patientinnen wurde deutlich, dass neben Symptomlinderung der Wunsch besteht, nicht gleich Antibiotika, sondern eine eingehende Beratung zu erhalten und ernst genommen zu werden. Dem ist bei der Entwicklung von Behandlungszielen für Leitlinien und Studien Rechnung zu tragen.