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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Klinische Entscheidungsfindung mit dem Patienten und für den Patienten. Ergebnisse einer multiperspektivischen qualitativen Beobachtungsstudie in der Onkologie

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Sabine Salloch - Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Peter Ritter - Hellmig-Krankenhaus Kamen, Klinik für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin, Kamen, Deutschland
  • author Sebastian Wäscher - Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Jochen Vollmann - Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Jan Schildmann - Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmB3d

doi: 10.3205/16ebm031, urn:nbn:de:0183-16ebm0311

Veröffentlicht: 23. Februar 2016

© 2016 Salloch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Therapieentscheidungen in der Onkologie stellen sowohl das Behandlungsteam als auch die betroffenen Patienten regelmäßig vor erhebliche Herausforderungen, da neben Faktoren wie unsicherer Datenlage, widersprechenden Studienergebnissen und der Notwendigkeit einer engen interdisziplinären Kooperation auch wertebezogene Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Methoden: In der vorgestellten Studie, die Teil des ETHICO-Projektes („Empirical-Ethical Interventions in Oncology“) ist, wurde mittels nichtteilnehmender Beobachtung die klinische Entscheidungsfindung in drei verschiedenen Settings (Tumorkonferenz, onkologische Ambulanz und Visite) der Onkologie untersucht und durch qualitative Datenanalyse ausgewertet. Die Einbeziehung unterschiedlicher klinischer Alltagssituationen ermöglichte die Erfassung von Strukturen und Abläufen der Entscheidungsfindung, die teils in Anwesenheit und teils in Abwesenheit des Patienten erfolgte.

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 309 Fälle der Entscheidungsfindung mit und für einzelne Patienten dokumentiert. Während in der Tumorkonferenz die medizinisch-fachliche Ebene vorherrschend ist, sind onkologische Ambulanz und Visite durch eine Mischung von ärztlich-fachlicher und nicht-fachlicher Kommunikation geprägt. In allen drei Settings sind wertebezogene Aspekte implizit oder explizit relevant. Während der Patientenwille bei Anwesenheit des Patienten einen großen Stellenwert für die Entscheidungsfindung hat, wird er in dessen Abwesenheit zumeist nur selektiv berücksichtigt, etwa wenn der Patient eine Behandlung ablehnt oder sich in einer palliativen Behandlungssituation befindet. Weiterhin zeigt sich, dass im Falle mehrerer möglicher Therapieformen das Ärzteteam in Abwesenheit des Patienten werterelevante Vorentscheidungen zur Therapiewahl trifft.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der qualitativen Beobachtungsstudie heben die Bedeutung des organisatorischen Rahmens für die leitlinienbasierte klinische Entscheidungsfindung in der Onkologie hervor. Aus medizinethischer Sicht ist zu diskutieren, wie eine systematischere Berücksichtigung des Patientenwillens zu einer transparenten und informierten Entscheidungsfindung beitragen kann.