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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Die vorliegende Evidenzlage zu Zweitmeinungsverfahren ist dürftig – eine systematische Übersichtsarbeit

Meeting Abstract

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  • author Javid Ali - Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln, Deutschland
  • corresponding author presenting/speaker Dawid Pieper - Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Universität Witten/Herdecke, Bensberg, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmD3a

doi: 10.3205/16ebm008, urn:nbn:de:0183-16ebm0086

Veröffentlicht: 23. Februar 2016

© 2016 Ali et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Fragestellung: Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz wurde Mitte 2015 § 27 b SGB V zur Zweitmeinung in Deutschland gesetzlich verankert. Dies räumt den Versicherten einen Rechtsanspruch (und Erstattung) auf eine (freiwillige) ärztliche Zweitmeinung bei planbaren medizinischen Eingriffen ein. Die zu berücksichtigenden Eingriffe werden noch vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt und sollten bis zum Kongress bekannt sein. Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen von Zweitmeinungsverfahren bei planbaren chirurgischen, orthopädischen oder gynäkologischen Eingriffen zu untersuchen.

Methoden: Es wurde im März 2015 eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken EMBASE, Medline, ProQuest und Google Scholar nach relevanten vergleichenden Studien durchgeführt. Die Studienselektion, Bewertung der methodischen Qualität und Datenextraktion wurde unabhängig von zwei Personen durchgeführt. Unstimmigkeiten wurden ausdiskutiert. Zur Bewertung der methodischen Qualität wurde ein Bewertungsinstrumenten für Reliabilitätsstudien verwendet, um einen besonderen Fokus auf Übereinstimmungsraten zu legen.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 18 Studien die Einschlusskriterien, wovon alle bis auf zwei aus den USA stamm-ten. Nur vier Studien wurden in diesem Jahrtausend publiziert, während der Großteil der Studien Ende der 70er bis Mitte der 80er publiziert wurde. Hysterektomien (n=6), Cholezystektomien (n=5) und Knieoperationen (n=5) wurden am häufigsten untersucht. Die Übereinstimmungsrate zwischen Erst- und Zweitmeinung betrug bei obligatorischer Zweitmeinung im Median für diese 77,9% (Spannweite: 72,7%-92,0%), 92,0% (88,2%-95,5%) bzw. 85,6% (76,1%-93,5%). Die Übereinstimmungsraten bei freiwilliger Zweitmeinung fallenbei allen Eingriffen geringer aus und erreichen bei den genannten Eingriffen im Median 63,0%, 87,0% bzw. 58,5%. Die Qualität der Studien war mäßig.

Schlussfolgerung: Die Datenlage zu Zweitmeinungsprogrammen ist stark veraltet, so dass sie nur bedingt den derzeitigen medizinischen Kenntnisstand wiedergeben kann. Selbst wenn die Übereinstimmungsraten weniger stark ausfallen, haben Zweitmeinungsverfahren das Potential einen Einfluss auf das Operationsgeschehen zu entfalten. Für Deutschland liegen bislang keinerlei Daten vor. Es konnte keine einzige kontrollierte Studie zur Fragestellung identifiziert werden. Diese wäre für die Zukunft wünschenswert, um alle Effekte, die von Zweitmeinungsprogrammen ausgehen können, abschätzen zu können.