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EbM zwischen Best Practice und inflationärem Gebrauch
16. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 14.03.2015, Berlin

Von der Unmöglichkeit, Häufigkeitsangaben zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen in Gebrauchsinformationen zu verstehen

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Viktoria Mühlbauer - Universität Hamburg, MIN-Fakultät, Institut für Pharmazie, Gesundheitswissenschaften, Hamburg, Deutschland
  • author Ingrid Mühlhauser - Universität Hamburg, MIN-Fakultät, Institut für Pharmazie, Gesundheitswissenschaften, Hamburg, Deutschland

EbM zwischen Best Practice und inflationärem Gebrauch. 16. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 13.-14.03.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15ebmP2c

doi: 10.3205/15ebm054, urn:nbn:de:0183-15ebm0549

Veröffentlicht: 3. März 2015

© 2015 Mühlbauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Fragestellung: In Gebrauchsinformationen werden Häufigkeiten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) ohne Daten aus Vergleichsgruppen präsentiert. Dadurch könnten UAW in kausalem Zusammenhang mit der Arzneimittelanwendung fehlinterpretiert werden. Die Verständlichkeit der Gebrauchsinformationen wird am Beispiel kombinierter oraler Kontrazeptiva (KOK) untersucht.

Material/Methoden: 123 Personen nahmen an der Befragung teil, darunter Studierende im 1. und 2. Semester (2014) des Bachelorstudiengangs „Lehramt an der Oberstufe - Berufliche Schulen“ Fachrichtung Gesundheit der Universität Hamburg und Teilnehmer des Stuttgarter Gynäkologen-Herbsttages 2014. Alle Studierenden (90% Frauen) hatten vor Beginn des Studiums eine Ausbildung in einem Berufsfeld „Gesundheit“ absolviert.

Alle 22 Studierenden eines Seminars im 2. Semester bekamen die Gebrauchsinformation KOK sowie Fragebögen vorgelegt. Es wurde die Häufigkeit erfragt, mit der das KOK Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme verursacht. In einer weiteren Befragung sollten Angaben zur Häufigkeit der UAW sowohl bei Anwenderinnen von KOK als auch bei Nicht-Anwenderinnen gemacht werden.

Dieselbe Gebrauchsinformation wurde 74 GynäkologInnen gezeigt. Über ein elektronisches Abstimmungssystem sollten Angaben gemacht werden, wie häufig das KOK Stimmungsschwankungen verursacht.

Allen 27 Studierenden des 1. Semesters wurde eine Gebrauchsinformation mit ergänzenden Daten zur Häufigkeit von Kopfschmerzen, schmerzhaften Perioden und Gewichtszunahme in einer Placebogruppe vorgelegt.

Ergebnisse: 93% der Studierenden und 75% der Ärzte gaben an, das KOK verursache die jeweilige UAW mit der in der Gebrauchsinformation angegebenen Häufigkeit. Auf die Frage wie häufig die UAW bei Nicht-Anwenderinnen auftritt, gaben 57% vergleichsweise geringere Häufigkeiten an.

Keine der Studierenden stellte durch die Angabe der Häufigkeit der UAW in der Vergleichsgruppe die Kausalität in Frage. Im Mittel gaben 47% die Häufigkeit der Gebrauchsinformation wieder, 25% geringere und 14% größere Häufigkeiten (übrige keine Angabe).

Schlussfolgerung: Die aktuelle Darstellung der UAW in den Gebrauchsinformationen wird selbst von Personen in Gesundheitsfachberufen und ÄrztInnen irrtümlicherweise als kausal verstanden. Die Studienlage deutet jedoch nicht darauf hin, dass zwischen den genannten UAW und der Anwendung von KOK ein kausaler Zusammenhang besteht. Ein geeignetes Format zur verständlichen Darstellung ist Gegenstand weiterer Forschung.