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Was ist eigentlich EbM?
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Veröffentlicht: | 22. Februar 2010 |
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Der Begründer der „Evidenzbasierten Medizin“, David Sackett, definierte diese als „the integration of best research evidence with clinical expertise and patient values“. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, EbM sei „Kochbuchmedizin“, lässt diese Definition einen erstaunlichen Spielraum für klinische Entscheidungen. Zuerst muss man sich fragen, was mit „best research evidence“ gemeint ist. Genau genommen liegt hochwertige Evidenz nur vor, wenn sie sich hinsichtlich einer klar umrissenen Fragestellung auf eine systematische Übersicht und Metaanalyse qualitativ hochwertiger Studien stützt. Das ist leider in der Praxis nur selten der Fall. Studien werden an hochselektierten Patientenkollektiven durchgeführt und unterliegen dem Einfluss eines universitär-publikatorischen Systems, das Positivergebnisse höher bewertet als negative, und das die Wissenschaftler industriellen Einflüssen ausliefert. Die Vertrauenswürdigkeit von Studienergebnissen ist daher begrenzt. Zudem werden – gerade in der Allgemeinmedizin – täglich eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, für die es keine Studienevidenz gibt. Je weiter wir in der „Evidenzpyramide“ nach unten kommen, desto größer wird die Unsicherheit und damit der Spielraum, der letztendlich durch die klinische Expertise des Arztes ausgefüllt wird. Eine nochmalige Erweiterung erfährt der Entscheidungsspielraum, wenn die „patient values“ mit einbezogen werden. So kann sich der Patient trotz aller Studienevidenz aus verschiedensten Gründen für oder gegen eine medizinische Maßnahme entscheiden und wir Ärzte tun gut daran, diese Patientenentscheidungen zu respektieren. Evidenzbasierte Medizin kann also nur ein permanentes Ringen um die für den individuellen Patienten bestmögliche Behandlung sein, unter Berücksichtigung der vorliegenden Studien, aber vor allem auch unter Anwendung eines permanent kritischen Blicks dafür, wie Studienergebnisse zustande gekommen sind.