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Bedeutung und Bewertung qualitativer Studien in der EbM
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Veröffentlicht: | 15. März 2007 |
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Text
Hintergrund
Ausgangspunkt der EbM ist das klinische Problem. Bestimmte klinisch relevante Fragestellungen können jedoch nicht mit den Methoden der klinischen Epidemiologie beantwortet werden [Ref. 2], z.B. wenn subjektive Bedeutungen der Betroffenen einen zentralen Stellenwert haben oder wenn bislang unbekannte Faktoren für Problemstellungen identifiziert werden sollen. Hier können qualitative Studien wertvolle Beiträge leisten. Der vorliegende Beitrag führt verschiedene Ansätze der Bewertung qualitativer Studien zusammen und zeigt Besonderheiten der kritischen Bewertung qualitativer Studien auf.
Methoden
Zentrale Ansätze der kritischen Beurteilung qualitativer Studien wurden in der internationalen medizinischen Literatur identifiziert. Ihre unterschiedlichen Kriterien wurden vor dem Hintergrund einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Kriterien qualitativer Forschung aus den Sozialwissenschaften vergleichend analysiert.
Ergebnisse
Eine Vorreiterrolle für die Integration von Erkenntnissen aus qualitativen Studien in klinische Entscheidungssituationen haben die Pflegewissenschaften eingenommen, die sich traditionell häufiger qualitative Forschungsansätze zu Nutze machen. Mittlerweile haben prominente medizinische Zeitschriften (u.a. BMJ, Lancet, JAMA) eigene Ansätze zur Bewertung qualitativer Studien formuliert. Ebenso wurden die kritische Bewertung qualitativer Studien und ihre Bedeutung für HTA-Berichte umfassend analysiert. Die Anwendbarkeit des „Checklisten“-Ansatzes zur Bewertung qualitativer Studien ist jedoch grundsätzlich infrage gestellt worden [Ref. 1]. Die einzelnen an prominenter Stelle veröffentlichten Checklisten beinhalten jeweils unterschiedliche Aspekte der folgenden, in Anlehnung an Steinke (1999) formulierten Kriterien zur Bewertung qualitativer Forschung [Ref. 3]: Intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Indikation des Forschungsprozesses, Empirische Verankerung, Limitationen (Beschreibung der Kontexte und Identifikation relevanter Bedingungen), Kohärenz der Theorie, Relevanz, Reflektierte Subjektivität, Multiperspektivität sowie Gerechter Umgang (fair dealing).
Schlussfolgerung/Implikation
Eine an klinischen Problemstellungen orientierte EbM bedarf der Würdigung von Erkenntnissen aus qualitativen Studien. Da qualitative Forschung auf eigenen, z.T. divergierenden epistemiologischen Grundlagen basiert, ist eine einfache Übertragung des vertrauten Critical Appraisal Ansatzes in Form von Checklisten allerdings nur sehr eingeschränkt möglich und sinnvoll. Zur Zeit unterscheiden sich die publizierten Ansätze zur Bewertung qualitativer Studien in der Medizin substanziell, zum Teil fehlen zentrale Kriterien. Eine weiterführende Auseinandersetzung über zentrale Qualitätskriterien qualitativer Studien ist notwendig, um eine gemeinsame Basis zur Integration von Erkenntnissen aus qualitativen Studien in die medizinische Versorgung zu schaffen. Diese gemeinsame Basis sollte auch dazu dienen, eine qualitätsbasierte Auswahl qualitativer Studien zur Erstellung systematischer Übersichtsarbeiten treffen zu können.
Literatur
- 1.
- Barbour RS. Checklists for improving rigour in qualitative research: a case of the tail wagging the dog? BMJ 2001; 322: 1115-1117
- 2.
- Green J, Britten N. Qualitative research and evidence based medicine. BMJ 1998; 316: 1230-1232
- 3.
- Meyer T. Kritische Bewertung von Qualitativen Studien. In: Lehrbuch evidenzbasierte Medizin. (2. Auflage, erscheint 2007)