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22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen

18. bis 21.06.2009, Nürnberg

"Multifokallinsen" Contra

Meeting Abstract

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  • P.R. Preussner - Universitätsklinikum Mainz, Augenklinik, Mainz

22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen. Nürnberg, 18.-21.06.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09docH 5a.10b

doi: 10.3205/09doc026, urn:nbn:de:0183-09doc0267

Veröffentlicht: 9. Juli 2009

© 2009 Preussner.
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Gliederung

Text

Scharfes Sehen läßt sich prinzipiell entweder auf einen Fokus entsprechend einer Sehentfernung bündeln oder über einen Bereich oder mehrere Foki verteilen. Der nicht scharf abgebildete Lichtanteil führt dabei immer zu Halos, und diese stören immer die Wahrnehmung des scharf abgebildeten Anteils, genauer desjenigen Anteils, auf den sich das Auge gerade "fokussiert". Grundsätzlich wäre es denkbar und tatsächlich auch technisch realisierbar, mehrere Foki entsprechend verschiedenen Sehentfernungen vorzusehen. Auch eine mehr oder weniger kontinuierliche Gleitsicht ist technisch möglich. Zu bedenken ist aber dabei, daß jeder einzelne Fokus bzw. jede einzelne Sehentfernung eine um so schlechtere optische Qualität erhält, je größer die Zahl der Foki bzw. je breiter der Gleitsichtbereich ist. Man kann also das scharfe Sehen entweder bündeln oder verteilen, aber immer auf Kosten der anderen Sehentfernungen. Ein Grenzfall ist der, daß man einen scharfen Fokus für die Ferne und einen scharfen Fokus für die Nähe realisiert.

Als "Multifokallinsen" werden normalerweise Linsen bezeichnet, deren Design zwei disjunkte Foki im Abstand von ca. 3–4 dpt anstrebt. Als Kompromiß wäre ein solches Design für viele Patienten durchaus akzeptabel, erlaubt es doch theoretisch sowohl ein scharfes Sehen in der Ferne als auch eine brillenfreie Lesefähigkeit.

Leider werden die theoretischen Ansprüche von "multifokal" genannten Bifokallinsen der Praxis meist nicht erfüllt. Das Erreichen einer hinreichend exakten Fernemmetropie setzt eine Genauigkeit in der IOL-Anpassung voraus, die bisher in vielen Fällen nicht möglich ist. Auch mit den heute deutlich verbesserten meßtechnischen Möglichkeiten durch die optische Achsenlängenmessung bleiben einige nicht vernachlässigbare Fehler. Unter diesen ist die Ungenauigkeit in der Vorhersage der postoperativen IOL-Position aufgrund der individuell unterschiedlichen Schrum pfung des Kapselsacks der größte Einzelfehler. Wird die angestrebte Emmetropie für den Fernfokus der bifokaIen IOL nicht ausreichend genau getroffen, muß entweder doch eine Brille getragen werden, oder es wird eine optische Nachkorrektur erforderlich, meist mittels cornealer Laserchirurgie. Letzteres bedeutet zusätzliche Kosten, zusätzlichen Zeitaufwand und ein zusätzliches Risiko für das betroffene Auge.

Aber selbst wenn die Fernemmetropie für den Fernfokus der IOL erreicht wird, bedeutet dies noch lange kein optimales Ergebnis. Dabei ist mit "optimal" hier lediglich gemeint, daß die theoretisch mögliche optische Qualität einer Bifokallinse auch in der Praxis weitgehend realisiert wird, d.h. unvermeidliche Nachteile wie z.B. Halos werden durchaus zugestanden. Ein optisch optimales Ergebnis pseudophaker Bifokalität würde bedeuten, daß in jedem der bei den Foki die einzige Störung in der Überlagerung durch den Halo des jeweils anderen Fokus bestünde. Dieser Halo sollte idealerweise möglichst diffus sein, d.h. keine erkennbaren Strukturen wie z.B. Ringe oder Sternfiguren ausweisen. Theoretisch ist dies durchaus möglich, wie eigene Modellrechnungen und Messungen in Kunstaugen zeigen. In der Praxis wird diese Qualität von den derzeit kommerziell verfügbaren IOL-Modellen jedoch nicht erreicht.

Allein aus der Vielzahl unterschiedlicher 10 L-Typen auf dem Markt kann geschlossen werden, daß diese wohl kaum alle gleichzeitig optimal sein können, denn sonst dürften sie sich nicht unterscheiden. Klinische Studien zeigen allerdings immer wieder hoch zufriedene Patienten, deren erhebliche kataraktbedingte Sehminderungen natürlich in allen Fällen beseitigt wurden, und zur Not erfolgte eine zusätzlicher Lasik.

Halos sind dann besonders störend, wenn sie eine Struktur haben, die dem Auge ein Sehobjekt vortäuscht. Am wenigsten stören also gleichförmige, diffuse Halos. Ein Restastigmatismus oder auch andere Fehler höherer Ordung, vor allem eine Coma, prägen dem Halo eine solche störende Struktur auf. Auch mittels sogenannter "wellenfrontkorrigierender Lasik" lassen sich solche optischen Fehler und mithin die durch sie verursachten Halostrukturen nicht beseitigen. Weiterhin führen refraktive Linsen mit einer nur kleinen Zahl von Zonen immer zu deutlich wahrnehmbaren Haloringen.

Ein oft wiederholt er systematischer Denkfehler in der Auswertung von Vergleichsuntersuchungen bifokaler IOL liegt darin, daß aus den Eigenschaften einzelner Modelle auf die Über- bzw. Unterlegenheit zugrundeliegender optischer Prinzipien (diffraktiv versus refraktiv) geschlossen wird. Eine systematische Untersuchung einschließlich von uns vorgenommener Simulationsrechnungen und optischer Messungen in Modellaugen führt demgegenüber zu folgenden Resultaten:

Diffraktive IOL funktionieren von ihrem theoretischen Ansatz her zunächst nur bei einer Wellenlänge, denn nur dafür lassen sich die erforderlichen Phasenbeziehungen und Interferenzbedingungen definieren. Ändert man bei einer solchen Linse mit monochromatischem Design die Wellenlänge, so findet man eine starke Verschiebung der Brennweite bzw. Brechkraft, also eine starke chromatische Aberration. Wie kann man aber dann erklären, daß nach klinischer Erfahrung trotzdem noch eine brauchbare Sehqualität mit weißem Licht erreicht werden kann?

Die diffraktive Struktur hat normalerweise nur eine Zusatzbrechkraft von 34 dpt. Die chromatische Aberration dieses diffraktiven Zusatzes hat ungefähr den gleichen Betrag, aber das umgekehrte Vorzeichen wie die chromatische Aberration des gesamten refraktiven Anteils von Hornhaut und IOL, d.h. die chromatischen Aberrationen kompensieren sich ungefähr, allerdings nur im Durchschnitt, d.h. im mittleren Brechkraftbereich. Weiterhin spricht gegen diffraktive IOL ihr unvermeidlicher Lichtverlust durch Foki höherer Ordnung und ihr zusätzliches Streulichtproblem aufgrund ihrer Stufenstruktur.

Im Gegensatz zu den auf dem Markt befindlichen IOL hätte ein optimales Bifokaldesign genau zwei ansonsten optisch ideale Foki und einen möglichst gleichmäßigen Halo des nicht fokussierten Lichtes. Die Stärke des Nahzusatzes und die Lichtverteilung zwischen Nah- und Fernfokus entsprächen den Wünschen des Patienten, und gleichzeitig würden Astigmatismus und sphärische Aberration des betreffenden Auges korrigiert, so daß nicht z.B. eine Nachbehandlung mittels Laser erforderlich würde oder störende, strukturierte Halos auftreten. Solche für weißes Licht optimierte IOL können nur mit einer geeigneten refraktiven Struktur realisiert werden. Im Modellauge lassen sich ihre vorteilhaften Eigenschaften demonstrieren. Solche IOL sind aber bisher nicht auf dem Markt.