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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Menschen mit Behinderung am Lebensende: Empirische Erkenntnisse zur Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Palliative Care

Meeting Abstract

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  • Sven Jennessen - Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften, Berlin, Deutschland
  • Kristin Fellbaum - Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften, Berlin, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf422

doi: 10.3205/21dkvf422, urn:nbn:de:0183-21dkvf4227

Veröffentlicht: 27. September 2021

© 2021 Jennessen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Forschungslage zur Situation von sterbenden Menschen mit Behinderung ist in Deutschland insgesamt defizitär. Zu diesem Schluss kommt auch die Stellungnahme der Leopoldina (2015, 27). Zudem wird darauf verwiesen, dass vor allem „die sozialwissenschaftliche Praxisforschung, die explizit die jeweiligen Perspektiven der in den Sterbeprozess involvierten Akteure – Patienten, Angehörige, Behandler (…) – zu rekonstruieren sucht, (...) als ungenügend zu bewerten“ (ebd., 42) ist.

Auch im internationalen Kontext ist nur wenig empirisches Wissen über die Situation am Lebensende und die Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit Behinderung in der palliativen Versorgung und die Inanspruchnahme von palliativen und hospizlichen Versorgungsleistungen verfügbar (vgl. Todd 2013).

Fragestellung und Zielsetzung:

  • Über welche Erfahrungen mit Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung verfügen Mitarbeiter*innen in Palliativ- und Hospizeinrichtungen?
  • Welche Bedarfe zeigen die Zielgruppe in der palliativen und hospizlichen Versorgung Sicht der Leitungskräfte?

Zentrale Zielsetzungen:

  • Bestandsaufnahme der Versorgungssituation der Zielgruppe in verschiedenen hospizlichen und palliativen Settings
  • Erarbeitung von Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Unterstützungsarrangements und die Qualifizierung von Fachkräften

Methode oder Hypothese:

Mixed methods design:

  • qualitative Experteninterviews
  • quantitative Befragung von Leitungskräften in Hospiz- und Palliativeinrichtungen in NRW, Sachsen und Berlin (N=291).

Ergebnisse:

Ergebnisauswahl:

  • vor allem im Kinder- und Jugendbereich ist Expertise vorhanden (Wiederaufnahmen)
  • im Erwachsenenbereich ist Zielgruppe seltener vertreten (60%)
  • Gründe für fehlende Erfahrungen: fehlende Kontakte, EGH begleitet selbst bzw. Unterstützung unerwünscht/ keine Anfragen, anderer Schwerpunkt
  • Herausforderungen für palliative und hospizliche Fachkräfte: Kommunikation, Realisierung von Selbstbestimmung im Sinne einer „radikalen Betroffenenorientierung“ (Heller 2007, 199), Kooperation mit An- und Zugehörigen, Anamnese/Symptommanagement, Ethische Herausforderungen

Diskussion: Bestandteile einer guten Versorgung am Lebensende für Menschen mit Behinderung sind die Sicherstellung des egalitären Zugangs zu allgemeinen und spezialisierten Versorgungsstrukturen, eine Vernetzung der Akteure der verschiedenen Care-Bereiche und die Etablierung des Themas Palliative Care für Menschen mit Behinderung in den (Aus-)Bildungsstrukturen verschiedener Berufsgruppen. Auf der der Institutionsebene gehören die Etablierung einer Palliative Care Kultur in den Einrichtungen der Behindertenhilfe zu den tragenden Entwicklungsmaßnahmen sowie die Kompetenzentwicklung der Fachkräfte.

Praktische Implikationen: Auf der Grundlage ambulanter und stationärer Versorgungsstrukturen, die die verschiedenen fachlichen Zugänge von Palliative Care berücksichtigen, gilt es Netzwerke unterschiedlicher Akteur*innen mit divergierenden fachlichen Kompetenzen im Sinne von Caring Communities zu etablieren.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Doing network!