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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Qualitätsgesichertes Management von Einwilligungserklärungen – Notwendigkeit, Durchführung und Auswirkungen am Beispiel der Registerstudien TORCH und BFCC

Meeting Abstract

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  • Henriette Rau - Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Greifswald, Deutschland
  • Dana Stahl - Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin Greifswald K.d.ö.R., Greifswald, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf318

doi: 10.3205/21dkvf318, urn:nbn:de:0183-21dkvf3187

Veröffentlicht: 27. September 2021

© 2021 Rau et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Ethische, wissenschaftliche und rechtliche Vorgaben wie die Datenschutzgrundverordnung sehen vor, dass Studienteilnehmer und ihre Daten in der medizinischen Forschung auf Basis einer Einwilligung (Informed Consent, IC), erhoben und verarbeitet werden [1], [2], [3], [4]. ICs werden meist papierbasiert erhoben, was zu Qualitätsproblemen führen kann: Vogele et al. konnten in ihrer Studie aufzeigen, dass ca. 18% der untersuchten ICs unvollständig ausgefüllt wurden [5]. Dies ist besonders problematisch, da die Einwilligung für die medizinische Forschung ein rechtssicheres Dokument darstellen muss, das den Willen des Studienteilnehmers wahrheitsgemäß abbildet.

Fragestellung und Zielsetzung:Ziel dieses Beitrags ist es, die Qualität papierbasierter ICs zu evaluieren, um Notwendigkeit und Auswirkungen sowie Best Practices im Management und der Qualitätssicherung (QS) von ICs zu beschreiben.

Methode: Zur Evaluation werden die Datensätze der Registerstudien TORCH [6] (abgeschlossene Rekrutierung, N=2.300) und BFCC [7] (abgeschlossene 1. Erhebungswelle, N=840) herangezogen. Die untersuchten Qualitätsindikatoren umfassten „Vollständigkeit“ und „Übereinstimmung […] mit den Originaldaten […]“ nach Nonnemacher et al. [8], sowie „Rechtssicherheit“ als Vorliegen der Unterschrift von Teilnehmer und Arzt. In beiden ausgewerteten Registern wurden die ICs mithilfe des gICS [9] durch das Registerpersonal digitalisiert und inkl. Scan des Originals zentral gemanagt, wobei das Original in der Patientenakte verblieb.

Ergebnisse: Für 2.300 rekrutierte TORCH-Teilnehmer, wurden 1.588 qualitative Auffälligkeiten über die Zeit registriert; beim BFCC bedurften mehr als 15% der ICs einer Korrektur. Am häufigsten wurden IC-Scans inkorrekt bereitgestellt, d.h. unvollständiger/fehlender Scan, Unterschriften fehlten oder nicht alle einwilligungsfähigen Module bildeten eineindeutig den Teilnehmerwillen ab.

In beiden Registern wurden bis zum Rekrutierungsende Auffälligkeiten nachgewiesen, die bei ausbleibender Korrektur zur Löschung des Teilnehmerdatensatzes führen müssen. Durch zeitnahe QS-Reports, wobei sich monatliche Reports als best practice herausstellten, an die Studienmitarbeiter konnten die Auffälligkeiten meist behoben werden: Dies führte zu einem sehr geringen Datensatzverlust für die Auswertung (TORCH: N=0, BFCC: N=6).

Diskussion: QS mit zeitnaher Rückmeldung führte im BFCC bei kaum wechselndem Registerpersonal zu einer steile Lernkurve, die zur schnellen Erhöhung der initialen IC-Qualität beitrug. Bei häufigerem Personalwechsel wie bei der TORCH-Registerstudie konnte keine Lernkurve nachgewiesen werden. Beide Register belegen, dass bei sensiblen Dokumenten wie ICs keine Stichproben-artige QS möglich ist.

Praktische Implikationen: Einwilligungserhebung ist nicht intuitiv und bedarf Schulungen sowie einer zeitnahen QS während der gesamten Projektlaufzeit. Ohne diese sind Erhebungen von Studiendaten in ihrer Rechtssicherheit beeinträchtigt und auswertbare Datensätze zur Beantwortung von Forschungsfragen könnten aufgrund invalider ICs reduziert werden.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Einwilligungen sollten zeitnah (zentral) qualitätsgesichert werden, um den Studienteilnehmerwillen rechtssicher abbilden und den Verlust von auswertbaren Datensätzen in Forschungsvorhaben minimieren zu können.


Literatur

1.
World Medicine Association. Declaration of Helsinki – Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects. Proceedings of the 64th WMA General Assembly, Fortaleza, Brazil, October 2013. p. 4.
2.
European Medicines Agency, editor. Guideline for good clinical practice E6(R2). Products, C.f.H.M., Ed. 2018.
3.
Dierks C, Kircher P, Husemann C, Kleinschmidt J, Haase M. Data Privacy in European Medical Research. Vol. 1. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 2021.
4.
Council of the European Union; European Parliament. Regulation (EU) 2016/679 of the European Parliament and of the Council of 27 April 2016 on the protection of natural persons with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data, and repealing Directive 95/46/EC (General Data Protection Regulation) Union, E., Ed. Brussel, 2016; Vol. 2016/679/EU; p. 88.
5.
Vogele D, Schöffski O, Efinger K, Schmidt SA, Beer M, Kildal D. Analyse von dokumentierten Computertomographie-Aufklärungen: Vollständigkeit und Datenqualität in vier Kliniken. Radiologe. 2020 Feb;60(2):162-8. DOI: 10.1007/s00117-019-00629-6 Externer Link
6.
Seyler C, Meder B, Weis T, Schwaneberg T, Weitmann K, Hoffmann W, Katus HA, Dösch A. TranslatiOnal Registry for CardiomyopatHies (TORCH) - rationale and first results. ESC Heart Fail. 2017 Aug;4(3):209-15. DOI: 10.1002/ehf2.12145 Externer Link
7.
BFCC project website. [accessed on Oct, 19]. Availabe online: https://www.bfcc-project.eu/ Externer Link
8.
Nonnemacher M, Nasseh D, Stausberg J. Datenqualität in der medizinischen Forschung. Leitlinie zum adaptiven Management von Datenqualität in Kohortenstudien und Registern. 4 ed. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2014.
9.
Rau H, Geidel L, Bialke M, Blumentritt A, Langanke M, Liedtke W, Pasewald S, Stahl D, Bahls T, Maier C, Prokosch HU, Hoffmann W. The generic Informed Consent Service gICS®: implementation and benefits of a modular consent software tool to master the challenge of electronic consent management in research. J Transl Med. 2020 Jul 29;18(1):287. DOI: 10.1186/s12967-020-02457-y Externer Link