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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Kinder von pathologischen Glücksspielern: Hilfebedarfe, Inanspruchnahme von Hilfsangeboten und Handlungsempfehlungen für die selektive Prävention

Meeting Abstract

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  • Laura Fischer - Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung, Katholische Hochschule NRW, Köln, Deutschland
  • Michael Klein - Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung, Katholische Hochschule NRW, Köln, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf246

doi: 10.3205/21dkvf246, urn:nbn:de:0183-21dkvf2463

Veröffentlicht: 27. September 2021

© 2021 Fischer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In Deutschland sind 25 bis 33% der ca. 229.000 pathologisch glücksspielenden Menschen gleichzeitig Väter bzw. Mütter minderjähriger Kinder. Dies lässt auf eine hohe Zahl an Kindern schließen, die dem elterlichen Glücksspiel exponiert sind. Während zu Kindern von Eltern mit einer stoffgebundenen Suchterkrankung inzwischen eine gute Forschungslage besteht, ist die Aufmerksamkeit in Forschung und Praxis für Kinder aus glücksspielsuchtbelasteten Familien immer noch sehr gering. So bleiben die Betroffenen, als Hochrisikogruppe für die Entwicklung von Suchterkrankungen und anderer psychischer, somatischer und sozialer Probleme, oft unerreicht und unterversorgt.

Fragestellung und Zielsetzung: Ein Teilaspekt der vorliegenden Studie zu Kindern aus glücksspielsuchtbelasteten Familien ist die Exploration von spezifischen Versorgungsbedarfen und der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten der Zielgruppe.

Methode: Eine explorative Querschnittsstudie wurde anhand eines deskriptiven Mixed-Methods-Designs im Komplementärmodell bei einer nicht-repräsentativen Stichprobe (n=67) von jugendlichen und erwachsenen Kindern aus glücksspielsuchtbelasteten Familien durchgeführt. Quantitative und qualitative Daten wurden in Form eines strukturierten Fragebogens online, telefonisch oder persönlich erhoben und anhand deskriptiver Statistik bzw. der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet.

Ergebnisse: In der Stichprobe (n=67, 56,7% männlich, Durchschnittsalter 28 Jahre (SD=6.966)) zeigen sich große Hilfebedarfe in vielen Lebensbereichen (z.B. Alltag, Familie, Konsumverhalten, Psyche) und eine geringe Inanspruchnahme von Hilfsangeboten. Hinsichtlich „was in der Rückschau bezogen auf das familiäre Glücksspielproblem am meisten geholfen“ hat/hätte, wurde vornehmlich der Wunsch nach Psychoedukation, Verstehen und Transparenz, Stabilität, eine Vertrauensperson, die Distanzierung vom glücksspielenden Elternteil, früh einsetzende systemisch-familientherapeutische Sucht-, Alltags- und Erziehungshilfen sowie die therapeutische Behandlung des glücksspielenden Elternteils genannt.

Diskussion und praktische Implikationen: Glücksspiel bei Jugendlichen sowie bei Kindern aus suchtbelasteten Familien, als besondere Risikogruppe für problematisches Glücksspielverhalten, stellen in der Gesellschaft keine Randgruppe dar. So appelliert Hayer (2020) für einen breiten Ansatz zur Prävention von problematischem Glücksspielverhalten unter Jugendlichen. Die vorliegenden Studienergebnisse betonen darüber hinaus die Notwendigkeit der selektiven Prävention bei Kindern aus glücksspielsuchtbelasteten Familien sowie weiterführender grundlegender und angewandter Forschung.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Forschung nach und die praktische Implementierung von gezielter, frühzeitiger, nachhaltiger und transgenerationaler Prävention, welche ressourcenorientiert die ganze Familie einschließt und dauerhaft Stabilität fördert, ist eine notwendige Maßnahme in der Versorgung von (Kindern aus) glücksspielsuchtbelasteten Familien.