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Partizipative Entscheidungsfindung in der Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen – Ergebnisse der PART-CHILD Studie zu Ausmaß und individuellen sowie organisationalen Korrelaten
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Veröffentlicht: | 27. September 2021 |
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Hintergrund: Die Versorgungsqualität und Behandlungszufriedenheit von Kindern mit chronischen Erkrankungen und Eltern kann durch die Umsetzung partizipativer Entscheidungsfindung (PEF) gestärkt werden.
Zielsetzung: Die vorliegende Studie analysiert erstmals für den deutschsprachigen Raum Ausmaß und Korrelate der PEF mit Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen.
Methoden: Die Studie nutzt Daten der Kontrollphase der PART-CHILD Studie im stepped-wedge Design. Die Datenerhebung (n=4.383 Eltern) erfolgte von November 2018 bis Januar 2020 mittels Papierfragebögen in 15 Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ). Die PEF wurde mit CollaboRATEpediatric (Skala mit 3 Items; Spanne: 0–9) erfasst und ging als binäre Variable (suboptimaler [Punktsumme <27] versus optimaler Grad an PEF [Punktsumme =27]) in die multivariablen Analysen ein. Als Kovariablen wurden auf individueller Ebene u.a. das Geschlecht und das Alter des Kindes, die Art der Einschränkung (z.B. körperlich, kognitiv), die beim Termin anwesenden Fachkräfte (z.B. Ärzt*in, Psycholog*in, Therapeut*in) und die Art des Termins (therapeutisch, diagnostisch, beratend) berücksichtigt. Auf organisationaler Ebene wurden als Kovariablen u.a. die Größe des SPZ und der Erhalt von Zusatzfinanzierung neben GKV-Mittel eingeschlossen. Zusammenhänge zwischen der PEF mit Eltern und individuellen sowie organisationalen Kovariablen wurden durch multivariable generalisierte linear gemischte Modelle analysiert. Es zeigte sich kein Periodeneffekt während der Kontrollphase.
Ergebnisse: Insgesamt gaben 58,4% der Eltern einen optimalen Grad an PEF an. Die multivariablen Analysen zeigten, dass Eltern von Mädchen (OR 1,27 [1,12; 1,45]), von jüngeren Kindern (0–2 Jahre) und von Kindern mit körperlichen (vs. kognitiven oder kombinierten, OR 1,27 [1,06; 1,54]) Einschränkungen häufiger von einem optimalen Grad an PEF berichteten. Zudem wurde ein optimaler Grad an PEF häufiger bei Terminen angegeben, bei denen eine therapeutische Fachkraft anwesend war (OR 1,29 [1,09; 1,53]) bzw. die therapeutischen bzw. beratenden Charakter hatten. In SPZ, die zusätzliche finanzielle Mittel erhielten, zeigte sich weniger häufig ein optimaler Grad an PEF als in Zentren ohne Zusatzfinanzierung. Für weitere organisationale Kovariablen zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge.
Diskussion: In der Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen in SPZ scheint die PEF aus Elternsicht bereits gut etabliert. Sie scheint insbesondere von individuellen Merkmalen der Kinder und der den Termin gestaltenden Berufsgruppe abhängig, und weniger von organisationalen Faktoren.
Praktische Implikationen: PEF sollte auch in anderen, eher auf Ärzt*innen und Psycholog*innen als Fachkräfte angewiesenen Versorgungskontexten (z.B. pädiatrischen Polikliniken) erhoben werden.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Um die PEF in der Routineversorgung zu verbessern, sollten individuelle Bedürfnisse (z.B. geeignete Zeitpunkte, subjektiv wahrgenommener Verbesserungsbedarf), sowie bestimmte Patientensubgruppen (z.B. Jungen) besser verstanden werden.