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Wer nimmt welche Präventionsangebote in Anspruch? Ein Fokus auf Familien mit Säuglingen und Kleinkindern
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Veröffentlicht: | 27. September 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Im Feld der Familiengesundheit wird sektorenübergreifende Zusammenarbeit gefördert, um vulnerable Gruppen zu erreichen und das Präventionsdilemma zu überwinden.
Fragestellung und Zielsetzung: Um zu verstehen, inwieweit die Maßnahmen den Auswirkungen sozialer Ungleichheit in Bezug auf die Nutzung von Gesundheits- und Familienbildungsangeboten entgegenwirken, wollen wir
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- sozioökonomische, gesundheitsbezogene und psychosoziale Merkmale der Angebotsnutzenden und
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- Muster der Angebotsnutzung durch Familien mit Kleinkindern identifizieren.
Methode oder Hypothese: N=6.860 Mütter mit einem Kind unter 48 Monaten beantworteten beim Kinderarzt während einer Früherkennungsuntersuchung den schriftlichen Fragebogen zu psychosozialen und gesundheitlichen Merkmalen und der Nutzung von verschiedenen Gesundheits- und Familienbildungsangeboten. Durch logistische Regressionen wurden Zusammenhänge zwischen Merkmalen und Angebotsnutzung identifiziert. Muster der Angebotsnutzung wurden mittels latenter Klassenanalyse analysiert.
Ergebnisse: Mütter, die universelle Angebote wie Hebammenbetreuung (89,9%) in Anspruch nahmen, berichteten seltener psychosoziale Belastungen und hatten vermehrt Ressourcen gegenüber Müttern, die diese Angebote nicht in Anspruch nahmen. Das selektive Angebot der Schwangerschaftsberatung (22,4%) wurde überwiegend von Müttern genutzt, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen hatten (OR=3,9), Sozialhilfe bezogen (OR=2,4), ohne soziale Unterstützung (OR=1,5) oder alleinerziehend waren (OR=1,6). Das indizierte Angebot der Frühförderung wurde mit höherer Wahrscheinlichkeit von Familien mit einem Kind mit perinataler Auffälligkeit (OR=4,3) oder Fütterungsproblemen (OR=2,8) genutzt.
Es wurden vier Muster der Angebotsnutzung identifiziert: „Viel-Nutzer“ von mehreren Angeboten (7,3%), „Wenig-Nutzer“ mit geringer Nutzung (21,5%), Nutzer von ausschließlich medizinischen Angeboten (z.B. Hebammenhilfe) (34,8%) und Nutzer von medizinischen und Familienbildungsangeboten (z.B. Eltern-Kind-Gruppen) (36,4%). Familien mit geringen sozioökonomischen Ressourcen waren sowohl unter Viel-Nutzern als auch unter Wenig-Nutzern überproportional vertreten; Viel-Nutzer hatten zudem eher ein Kind mit perinataler Auffälligkeit oder berichteten elterlichen Stress.
Diskussion: Universelle Angebote werden von weniger belasteten Familien genutzt und selektive und indizierte Angebote scheinen ihre Zielgruppen zu erreichen. Die Analysen der Kombination der Angebotsnutzung zeigten weitere Muster unterversorgter Familien.
Praktische Implikationen: Wenig-Nutzer scheinen schwer erreichbar zu sein, während Viel-Nutzer aufgrund der hohen Belastung viel Hilfe und Unterstützung benötigen. Migrationshintergrund und niedriges Bildungsniveau bleiben Barrieren für die Nutzung von Präventionsangeboten.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Wir fanden keine Hinweise auf eine Überversorgung mit Präventionsangeboten.