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Ursächliche Faktoren für das Vorkommen von patientensicherheitsrelevanten Problemen (PSP) im ambulanten Versorgungssektor
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Veröffentlicht: | 27. September 2021 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Im Rahmen der Innovationsfonds-Studie „PAV – Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung“ (F-KZ: 01VSF16015) wurden zwischen Mai bis Oktober 2018 insgesamt 10.037 zufällig rekrutierte Bürger:innen ≥39 Jahre bundesweit mittels computer-gestützter Telefoninterviews (CATI) zu selbsterlebten patientensicherheitsrelevanten Problemen (PSP) befragt. Demnach berichten Patient:innen des ambulanten Versorgungssektors in Deutschland eine Ein-Jahres-Inzidenz von 14,2% PSP. Neben der Häufigkeit, Art und Schwere der PSP wurden auch vermutete Ursachen für die berichteten PSP erhoben.
Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie analysiert die von PSP-betroffenen Patient:innen vermuteten Faktoren, die das Risiko für das Auftreten von PSP im ambulanten Sektor erhöhen. Zudem werden potenzielle Determinanten der verschiedenen Ursachen untersucht.
Methode oder Hypothese: Die Daten der retrospektiven Querschnittsstudie werden deskriptiv unter Benennung des 95%-Konfidenzintervalls (CI) mittels Chi-Quadrat-Analysen (x2) im Hinblick auf signifikante (<.05) Unterschiede zwischen den ursächlichen Faktoren und dem ‚ärztlichen Behandlungsbereich‘, dem ‚Haus-/Facharzt‘ und den ‚schädlichen Folgen‘ der erlebten PSP analysiert.
Ergebnisse: 88% der Befragten hatten in den letzten 12 Monaten vor der Befragung ≥1 Haus-/Facharztbesuch, waren im Durchschnitt 61 Jahre alt und zu 52% Frauen. Insgesamt wurden 2.589 PSP berichtet.
Als Hauptursache für das Vorkommen von PSP vermuteten die Patient:innen ‚Stress und Zeitmangel seitens des behandelnden Arztes‘ (52%, CI=49,8%–53,6%); eine ‚mangelhafte Kommunikation zwischen Arzt und Patient‘ (33%, CI=31,4%–35,0%) und in rund 18% (CI=16,7%–19,6%) ‚fehlende Fachkompetenzen‘.
Insgesamt wurden 4.122 ursächliche Faktoren (Mehrfachnennungen) genannt. Die Analysen zeigten weiterhin, dass die drei genannten Faktoren das PSP-Risiko in den ärztlichen Behandlungsbereichen (N=2.445) ‚Anamnese/Diagnose‘ (76%, CI=73,8%–77,2%) und ‚Medikation‘ (15%, CI=13,7%–16,6%) erhöhen; häufiger beim ‚Facharzt‘ (N=2.409, 66%, CI=63,7%–67,5%) zu PSP führen und in nur 18% (CI=16,1%–19,1%) ‚keine schädlichen Folgen‘ (N=2.430) hatten.
Die x2-Analysen zeigen sehr starke signifikante Assoziationen (p=.000) zwischen den ursächlichen Faktoren und den ‚ärztlichen Behandlungsbereichen‘ (x2=397,6), dem ‚Haus-/Facharzt‘ (x2=67,6) und den ‚schädlichen Folgen‘ (x2=191,8).
Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die von Patient:innen benannten Faktoren ‚Stress und Zeitmangel‘; ‚fehlende Fachkompetenzen‘ und ‚mangelhafte Kommunikation‘ das PSP-Risiko stark erhöhen.
Praktische Implikationen: Patient:innen sollten zur Erfassung von PSP und potentiellen Risiken aktiv in ihre medizinische Versorgung eingebunden werden.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Um das PSP-Risiko im Versorgungsalltag zu reduzieren, müssen potenziell ursächliche Faktoren in Präventionsstrategien stärker berücksichtigt werden.