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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Implementierung der Meldestelle „Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte“

Meeting Abstract

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  • Iris Natanzon - Landesärztekammer Hessen, Stabsstelle Qualitätssicherung, Frankfurt am Main, Deutschland
  • Silke Nahlinger - Landesärztekammer Hessen, Stabsstelle Qualitätssicherung, Frankfurt am Main, Deutschland
  • Nina Walter - Landesärztekammer Hessen, Stabsstelle Qualitätssicherung, Frankfurt am Main, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf011

doi: 10.3205/21dkvf011, urn:nbn:de:0183-21dkvf0117

Veröffentlicht: 27. September 2021

© 2021 Natanzon et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter-)nationaler Forschung: (Inter-)nationale Studien ergeben, dass Drohungen und körperliche Übergriffe für einige Ärztinnen und Ärzte zum Berufsalltag gehören. Bislang schließt der Strafbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ im § 115 des Strafgesetzbuches Ärzte nicht mit ein. Vor diesem Hintergrund wurde in Hessen 2019 eine Meldestelle "Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte" eingerichtet.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel ist es, eine Vorstellung über die tatsächlichen Zahlen hinsichtlich Drohungen und Übergriffe zu erhalten. Die Evaluationsergebnisse sollen dabei helfen, Forderungen gegenüber dem Gesetzgeber zu bekräftigen, um Ärztinnen und Ärzte im Paragraphenteil § 115 des Strafgesetzbuches mit einzuschließen.

Methode: Im Jahr 2019 wurde ein anonymisierter Meldebogen „Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte“ entwickelt und auf der Website eingestellt. Der Bogen kann in ausgefüllter Form postalisch oder per Fax zurückgeschickt werden. Abgefragt wird u.a. die Form aggressiven Verhaltens sowie durch wen das aggressive Verhalten ausgeführt wurde. Die Daten werden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Seit 2019 sind 61 Meldebögen eingegangen. Aus den Freitext-Angaben des Meldebogens ergibt sich, dass der überwiegende Teil der Absender in einer niedergelassenen Praxis arbeitet und aggressives Verhalten größtenteils gegenüber dem Praxisteam (MFA) ausgeübt wurde. Bei den geschilderten Fällen handelt es sich überwiegend um leichte und mittlere, in der Regel verbale Aggressionsformen wie Beschimpfungen und Rufschädigung. Aber es werden auch leichte körperliche Gewalt und sexuelle Belästigung sowie in acht Fällen schwere Aggressionsformen (ausgeprägte körperliche Gewalt und Bedrohung) beschrieben.

Diskussion: Dass der Rücklauf mit 61 Meldebögen relativ überschaubar ist, erlaubt nicht den Rückschluss, dass Gewalt nur eine geringe Rolle im ärztlichen Alltag in Hessen spielt. So hat beispielsweise in Frankreich die Gewalt gegen Ärzte in den letzten Jahren um 9 Prozentpunkte zugenommen. 2019 wurden ca. 1.100 Vorfälle registriert. Der Umstand, dass sich fast alle Rückmeldungen hessischer Ärztinnen und Ärzte auf Situationen in der ärztlichen Praxis bezogen, überrascht zunächst. Doch auch in Frankreich waren 80 Prozent der im Jahr 2019 von Gewalt Betroffenen niedergelassene Ärzte.

Praktische Implikationen: Es erscheint wichtig, bei der Ärzteschaft sowie beim (Praxis-)Team, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jegliche Form von Gewalt inakzeptabel ist. Die Meldestelle kann fundierte Fakten schaffen, um auf deren Grundlage Ansprüche gegenüber dem Gesetzgeber zu bekräftigen sowie praxistaugliche Lösungsstrategien, unter anderem Selbstverteidigungsseminare für Ärzte und Team, zu entwickeln.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Länderübergreifende Daten über die Häufigkeit sowie Art der Angriffe auf die Ärzteschaft sollten zukünftig gesammelt und evaluiert werden, um das Ausmaß des Gewaltproblems in der deutschen Versorgungslandschaft zu identifizieren sowie auf dessen Basis Interventionen zur Prävention zu konzipieren.